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Pulverfass Arzneimittelfälschungen

Kopiert, gepanscht, verfälscht – Warum unsere Medikamente nicht mehr sicher sind.

Pharma-Crime von Daniel Harrich
Danuta Harrich-Zandberg, Daniel Harrich (2016) Pharma-Crime: Kopiert, gepanscht, verfälscht – Warum unsere Medikamente nicht mehr sicher sind. München: Heyne Verlag, 272 Seiten, 16,99 €

Wer Medikamente braucht, muss darauf vertrauen können, dass Herstellung und Vertrieb von Arzneimitteln zuverlässig geregelt sind. Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit müssen gewährleistet sein. In der Realität gelangen aber immer wieder gefälschte Produkte auf den Markt. Das Buch „Pharma-Crime“ zeichnet eine beunruhigende Recherche nach.

Bis vor einigen Jahren waren Fälschungen von Arzneimitteln vor allem ein Thema bei Lifestyle-Mitteln, die etwa per Internet illegal vertrieben wurden. Insbesondere Potenzmittel oder Medikamente zum Abnehmen enthielten nicht den gewünschten Wirkstoff oder nicht die deklarierte Menge.

Ein guter Schutz vor Arzneimittelfälschungen ist es, auf Bestellungen bei dubiosen Internet-Anbietern zu verzichten. Aber reicht das? Leider haben es in der Vergangenheit auch gefälschte Packungen von lebenswichtigen Medikamenten in die „normalen“ Apotheken geschafft, darunter Mittel gegen Krebs oder Infektionen. Und das, obwohl die reguläre Vertriebskette Hersteller – Großhandel – Apotheke als vertrauenswürdig gilt.1 Wie kann das passieren?

Die beiden Journalisten Danuta Harrich-Zandberg und Daniel Harrich haben langwierige Recherchen hinter sich und ihre Ergebnisse sowohl in einer TV-Dokumentation als auch in dem Buch „Pharma-Crime“ festgehalten. Über zehn Jahre sind sie den Spuren gefälschter Medikamente gefolgt und haben viel Brisantes zu Tage gefördert: So schildern sie, wie im Zuge der Globalisierung die Produktion in Schwellenländer wie China oder Indien ausgelagert wird, in denen Zulassungsbehörden die Herstellungsbedingungen nur schlampig kontrollieren. Undurchsichtige Handelsketten, die mit Importen, Exporten und Re-Importen ein Geschäft machen, sind zudem Einfallstore für lukrative Fälschungen. Davon profitieren skrupellose Zwischenhändler, aber auch Apotheker und Ärzte, die sich auf zweifelhafte Geschäfte einlassen. Und die Pharmaindustrie, die bei solchen Praktiken selbst noch Gewinne einstreichen kann, verfolgt diese Fälschungen nicht so konsequent, wie es angemessen wäre.

Einen kritischen Blick werfen die beiden Journalisten auch auf die bisherigen und geplanten Abwehrmaßnahmen. Wie gut werden Zollbestimmungen umgesetzt? Funktioniert die Fälschungsrichtlinie der EU?

Das Buch hinterlässt ein äußerst beunruhigendes Bild der Lage. Wie aktuell die Szenarien sind, zeigen Ereignisse kurz nach seinem Erscheinen: Im Mai und Juni warnte innerhalb von nur 14 Tagen die deutsche Zulassungsbehörde gleich zweimal vor gefälschten Mitteln. In einem Fall wurden die gefälschten Präparate bereits im Großhandel entdeckt und gar nicht erst an Apotheken ausgeliefert.2 Im zweiten Fall schaffte es die Fälschung jedoch auf den Markt und fiel erst einem aufmerksamen Patienten auf (­siehe S. 3).3

„Pharma Crime“ ist spannend und hält seine Leser in Atem – obwohl das Buch filmartige Episoden aneinander reiht und nicht in einem großen Spannungsbogen erzählt. Dadurch hat der Leser aber den Eindruck, dass sich viele Puzzlestückchen zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Wünschenswert wäre es jedoch gewesen, dass die Autoren genauer differenziert hätten, welches Problem der jeweiligen Episode konkret zugrunde liegt: Schlampereien bei der Herstellung? Bewusster Betrug mit legalen Arzneimitteln? Oder illegale Fälschung? Das geht stellenweise etwas durcheinander, schmälert den Gesamteindruck des Buchs jedoch nicht.
Fazit: Wichtiges Buch. Wichtiges Thema. Aber leider kein Happy End in Sicht.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2017 / S.07