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Brustkrebs: Leere Versprechungen

Palbociclib verlängert das Leben nicht

Vor einem Jahr berichtete GPSP unter dem Titel „Viel Rummel um ein neues Brustkrebsmedikament“ über den Wirkstoff Palbociclib.1 Der Hersteller hatte große Hoffnungen geschürt. Wie sieht es ein Jahr später aus?

Das Medikament war auf den Markt gekommen, obwohl die drei Studien, die Basis für die Zulassung waren, noch gar nicht abgeschlossen waren. Deshalb blieb unklar, ob Palbociclib das Leben von Patientinnen tatsächlich verlängern kann.

Voreilige Zulassung

Basis der Zulassung war das sogenannte progressionsfreie Überleben (PFS), also ein verlangsamtes Wachstum von Tumoren. Dafür wurden in den Studien aber lediglich Röntgenbilder ausgewertet. Langsameres Tumorwachstum ist jedoch nur ein Surrogat, also ein Ersatzmesswert, der für etwas stehen soll, auf das es Patientinnen wirklich ankommt: längeres Überleben oder Linderung der Krankheitssymptome. Das PFS ist mit Studien leichter und schneller zu erfassen als das tatsächliche Überleben nach der Krebsbehandlung. Denn das erfordert eine viel längere Beobachtungsdauer. Es ist umstritten, ob das PFS für sich genommen ein tauglicher Indikator für den Nutzen von Krebsmedikamenten ist.

Die Forscher Chul Kim und Vinay Prasad sind gezielt dieser Frage nachgegangen. Dafür nahmen sie 36 Krebsmedikamente unter die Lupe, die in den USA lediglich auf Basis von Surrogaten wie PFS zugelassen worden waren. Das Ergebnis: Mehrere Jahre nach der Zulassung konnte nur für 14% der Medikamente ein Überlebensvorteil belegt werden. Bei der Hälfte, also 50% der Medikamente, stellte sich letztlich heraus, dass Patientinnen und Patienten durch den neuen Wirkstoff nicht länger leben. Bei den übrigen 36% ist das nach wie vor unklar.2,3 Brauchbare Belege fehlen also.

Kein Vorteil

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sah das ähnlich. Ihm reichte ein längeres progressionsfreies Überleben nicht als Hinweis auf echte Vorteile für Frauen mit Brustkrebs. Zumal sich die Krankheitssymptome nicht verringerten und schwere Nebenwirkungen sogar häufiger waren. Der G-BA urteilte deshalb im Frühjahr 2017: „kein Zusatznutzen“.4 Unmittelbar nach diesem Beschluss wurde das Endergebnis der ersten der eingangs genannten drei Studien bekannt: kein längeres Überleben.

Trotzdem kritisierte noch im Februar 2018 der Berufsverband der niedergelassenen gynäkologischen Onkologen (BNGO) die Entscheidung des G-BA, Palbociclib keinen Zusatznutzen zu bescheinigen. Das Präparat habe „eine ungefähre Verdopplung der Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung gezeigt.“5 Diese angeblichen Vorteile beziehen sich aber lediglich auf die Auswertung von Röntgenbildern. Langsameres Tumorwachstum bedeutete in diesem Fall aber leider nicht, dass es den Patientinnen besser ging.

Aktionäre zuerst

Am 25. Juni 2018 veröffentlichte der Hersteller von Palbociclib eine Pressemitteilung, die sich an Investoren richtete. Darin wurde etwas verschämt mitgeteilt, dass auch die zweite inzwischen abgeschlossene Studie keinen Überlebensvorteil für Palbociclib belegt.6 Diese frühe Information der Investoren hat einen schlichten Grund: Warnt eine Firma nicht rechtzeitig, dass ihr Produkt die wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt, können Aktionäre in den USA auf Schadenersatz klagen. Über einen ähnlichen Fall bei einem anderen Wirkstoff, der inzwischen wieder vom Markt genommen wurde, hatte der Pharma-Brief, eine der Mutterzeitschriften von GPSP, berichtet.7

Die Ergebnisse für die dritte und letzte Studie werden für Ende 2018 erwartet. Deren vom G-BA 2017 ausgewertete Zwischenergebnisse ergaben keinen Überlebensvorteil.4 Endgültige Daten für die letzte Studie muss der Hersteller dem G-BA bis zum 1.3.2019 vorlegen.8

Nutzen? Für wen?

Anderthalb Jahre nach der Zulassung hat also noch keine Studie nachgewiesen, dass Frauen mit Brustkrebs dank Palbociclib länger leben. Noch schlimmer: Die Nebenwirkungen sind erheblich. Das ist insofern besonders relevant, weil der neue Wirkstoff zusätzlich zur bisher üblichen Therapie gegeben wird. Da stellt sich immer mehr die Frage, warum die europäische Arzneimittelbehörde EMA Palbociclib zu einem Zeitpunkt zugelassen hatte, an dem es noch keinerlei Daten zur Überlebensdauer gab.

Für die Firma Pfizer hatte die Information ihrer Aktionäre über ungünstige Studienergebnisse offensichtlich Vorrang. Ärztinnen und Ärzte warten bis heute auf eine Unterrichtung, dass Palbociclib vielen ihrer Patientinnen keine Überlebensvorteile bietet. Pfizers Investoren können mit einem besseren Schutz rechnen als krebskranke Frauen. Es ist an der Zeit, dass die EMA ihre eigenen Zulassungsentscheidungen kritisch hinterfragt.

G-BA
GPSP 2/2015, S. 6

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2018 / S.04