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WICK MediNait Erkältungssirup

Unterschätzte Risiken

Der meistverkaufte Erkältungssirup in Deutschland ist WICK MediNait®. Das sagt jedenfalls der Hersteller. Das Mittel wurde vor Jahrzehnten von einer kleinen US-amerikanischen Firma erfunden, die lange als VICK‘s Family Remedies firmierte. Die Firma gehört indes längst zum globalen Schönheitspflege-Konzern Procter & Gamble. Das macht das Mittel nicht besser.

WICK MediNait® ist eine Kombination aus vier Wirkstoffen:

• dem fiebersenkenden Schmerzmittel Paracetamol,
•  dem Hustenstiller Dextrometh­or­phan,
• dem die Blutgefäße verengen­den Stimulanz Ephedrin sowie
• dem antiallergischen Histamin-Blocker Doxylamin.

Die empfohlene abendliche Dosis von 30 ml enthält all das – gelöst in einem Quantum Alkohol, das immerhin einem halben klei­nen Glas Bier oder Wein entspricht.

Bereits 2008 riet GPSP von solchen „Schrot­schuss­kom­bi­natio­nen“ ab und empfahl stattdessen, die jeweiligen Beschwerden gezielt mit dem passenden Medikament zu lindern. Dem stimmt kurioserweise auch der Hersteller zu. Denn in seiner Packungsbeilage für die Patienten1 schreibt er explizit, dass das Produkt nicht eingenommen werden darf, wenn bei einer Erkältung oder einem grippalen Infekt nicht alle der genannten Wirkstoffe benötigt werden.

Besondere Vorsicht geboten

Dass WICK MediNait® trotz fehlender ärztlicher Rezeptpflicht kein harmloses Säftchen ist, lassen die Hinweise auf solche Situationen erahnen, in denen sich eine Anwendung verbietet. Diese so genannten Kontraindikationen sind sämtlich in der Packungsbeilage gelistet:

Nicht einnehmen dürfen den Sirup Menschen mit hohem Blutdruck sowie mit Herz- und Schilddrüsenerkrankungen. Auch bei Atemwegserkrankun­gen wie Asthma, chronisch obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD), Lungenentzündung und bei gestörter Atemfunktion, etwa Atemdepression oder Atem­insuffizienz, ist WICK MediNait® gewissermaßen verboten. Ebenso ausgeschlossen ist die Anwendung bei grünem Star – also bei erhöhtem Augeninnendruck –, bei Leber- und Nierenschäden, bei vergrößerter Prostata mit Restharnbildung und erheblicher Beeinträchtigung beim Wasser­lassen. Auch Patienten mit Epilepsie oder mit Hirnschäden dürfen WICK MediNait® nicht einnehmen. Dasselbe gilt für schwangere und stillende Frauen, für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren.

No-Go bei Depression

Die Warnungen vor Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln aufzulisten, würde hier den Rahmen sprengen. So zahlreich sind sie. Nur auf eine sei hingewiesen, weil sie so gefährlich ist. Gleich zweimal erwähnt die Packungsbeilage: Bei gleichzeitiger oder bis zu zwei Wochen zurückliegender Behandlung mit Antidepressiva vom Typ der MAO-Hemmer und SSRI kann das Serotonin-Syndrom auftreten. Dabei leidet der Patient oder die Patientin unter Muskelstarre und Muskelzittern. Dazu kommen meist Störungen im Zentralnervensystem, die mit Erregungszuständen und Verwirrtheit verbunden sind. Typisch ist auch hohes Fieber. Und Atmung und Kreislauf werden beeinträchtigt. Solche Wechselwirkungen können tödlich enden.

Clevere Verlockung

Zur Erkältungshochsaison wiederholen wir unsere Empfehlung: Widerstehen Sie der Verlockung, mit einem Präparat alle befürchteten oder vorhandenen Beschwerden lindern zu wollen, und das über Nacht! Auch wenn der Werbeslogan das verspricht.2

Die bessere Wahl sind abschwellende Tropfen oder Sprays für die verstopfte Nase sowie Paracetamol oder ASS (Acetylsalicylsäure) bei Fieber und Schmerzen. Hustenstillende Tabletten oder Tropfen sollten Sie nur in Ausnahmefällen einnehmen, und das nach Rücksprache mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2017 / S.04