Mädchenimpfung gegen Gebärmutterhalskrebs
Wie viel Schutz bietet die HPV-Impfung vor Gebärmutterhalskrebs?
Hinweis 4.2.2022: Der Wissenstand zur HPV-Impfung hat sich weiterentwickelt. Aktuellere Informationen finden Sie in GPSP 1/2021, S. 11
Die Impfung mit Gardasil® soll Frauen vor Krebs des Gebärmutterhalses schützen. Sie wurde als erste „Impfung gegen Krebs“ gefeiert. Es dauerte nur wenige Monate, bis sich die Krankenkassen zur Kostenübernahme entschieden hatten. Jetzt ist die erste Euphorie verflogen und kritische Stimmen verschaffen sich Gehör, denn die Impfung für Mädchen von 12-17 Jahren bietet keinen sicheren Schutz vor Gebärmutterhalskrebs.
Viele Eltern und ihre Töchter stehen vor der Frage: Ist die neue Impfung gegen Warzenviren (humane Papillomviren, HPV) sinnvoll oder nicht? Viren dieser Gruppe gelten als wichtigste Auslöser für Gebärmutterhalskrebs. Es gibt mehr als 100 verschiedene HPV-Typen (siehe Kasten). Der Gardasil®-Impfstoff enthält virusähnliche Partikel von vier Typen, unter anderem von den beiden, auf die am häufigsten Krebs des Gebärmutterhalses zurückgeführt wird. Die im Impfstoff enthaltenen Partikel selbst sind nicht ansteckend, können aber einen Schutz vor Infektionen aufbauen. Da die Impfung überhaupt nur wirkt, wenn noch keine Infektion mit diesen HPV-Typen da ist, die Viren beim Geschlechtsverkehr übertragen werden und das Infektionsrisiko mit der Zahl der Sexualpartner steigt, muss frühzeitig geimpft werden (insgesamt dreimal). Deshalb spricht man auch von „Mädchenimpfung“. Warum es schwierig ist, eine eindeutige Empfehlung für oder gegen die Impfung zu geben, lesen Sie hier:
Vorschnell auf den Markt gebracht
Die Zulassung des Impfstoffes erfolgte auf sehr schmaler Wissensbasis: Als Gardasil® 2006 in Deutschland auf den Markt kam, waren die beiden für die Bewertung des Impfstoffes entscheidenden großen Untersuchungen noch nicht einmal abgeschlossen! Die Zulassung beruht auf Daten früher klinischer Studien – zum Teil mit einem „Prototyp“ von Gardasil® – und vorläufigen Ergebnissen der beiden unfertigen großen Studien. Trotz dieser unbefriedigenden Datenlage wurde die Impfung rasch in einige nationale Impfprogramme aufgenommen. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut die Impfung seit März 2007 für alle Mädchen von 12 bis 17 Jahren.
Der europäische Gardasil®-Vertreiber Sanofi Pasteur MSD sorgte für Medienrummel: In den Niederlanden setzte er Eltern und Ärzte in Rundfunk und anderen Medien mit einer gigantischen Werbekampagne zu den Gefahren der Papillomviren unter Druck („Schütze deine Tochter“). In den USA erreichte es der Konzern durch massive Lobbyarbeit, dass in einigen Staaten die Impfung aller Mädchen bereits als Voraussetzung für den Schulbesuch gefordert wird.1 In Texas ist sie tatsächlich ab 2008 für alle 11-12-jährigen Mädchen Pflicht. Das ist sicher kein Zufall: Der ehemalige Stabschef des Gouverneurs hat inzwischen einen (wahrscheinlich lukrativeren) Job beim Hersteller von Gardasil®.2
All dies klingt alarmierend, sagt aber natürlich nichts über den tatsächlichen Nutzen der Schutzimpfung aus. Was ist an den in der Öffentlichkeit kursierenden Behauptungen wirklich dran?
100%iger Impfschutz?
Oft wird die gute Wirksamkeit des Impfstoffes betont. In den beiden großen klinischen Studien zu Gardasil® mit rund 20.000 jungen Frauen ist aber überhaupt kein Tumor des Gebärmutterhalses aufgetreten. Dafür waren die Studien auch viel zu kurz. Außerdem wurden bei den Teilnehmerinnen alle 6 bis 12 Monate Zellabstriche der Gebärmutterhalsschleimhaut gemacht und auf potenzielle Krebsvorstufen untersucht. Bedenkliches Gewebe wurde entfernt. Tumoren konnten so gar nicht entstehen. Um den Nutzen der Impfung zu belegen, wurde zu einer Hilfskonstruktion gegriffen und die Häufigkeit von Zellveränderungen untersucht, die eine Krebsvorstufe sein können. Wenn die Impfung deren Häufigkeit verringert, wird sie auch die Krebsrate senken – so die Hypothese. Sie klingt zunächst plausibel, sollte aber gut untermauert sein. Ein etwas genauerer Blick in die Ergebnisse der beiden großen Gardasil®-Studien lohnt sich also:3,4
Berücksichtigt man bei der Auswertung allein jene Zellveränderungen, die auf den im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen beruhen, ergibt sich tatsächlich eine Wirksamkeit von nahezu 100%. Bei den geimpften Frauen wurden drei Jahre nach der Impfung keine Zellveränderungen durch diese HPV-Typen entdeckt. Dies alles gilt aber nur für die Frauen, die sich vor und während der Impfungen noch nicht mit einem der im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen angesteckt hatten. Gegen mindestens 14 weitere gefährliche HPV-Typen5 schützt der Impfstoff überhaupt nicht.
- Bei Frauen, die sich bereits vor Abschluss der dreimaligen Impfung mit einem der im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen angesteckt haben, nützt Gardasil® nichts.
- Für junge Frauen mit sexueller Erfahrung erscheinen Auswertungen realistischer, in denen alle HPV-Typen unabhängig von Infektionszeitpunkt berücksichtigt werden. Schließlich weiß man zu Impfbeginn in der Regel nicht, ob bereits eine Infektion mit HPV da ist. In der Gesamtauswertung fällt der Nutzen dann überraschend gering aus: Obwohl die beiden vom Impfstoff abgedeckten HPV-Typen 16 und 18 für 70% der höhergradigen, also bedenklicheren Zellveränderungen am Gebärmutterhals verantwortlich sein sollen (siehe Kasten), verringert die Impfung die Häufigkeit der Zellveränderungen verursacht durch alle HPV-Typen nur wenig: Mit Impfung waren im Jahr 13 von 1.000 Frauen betroffen, ohne Impfung 15 von 1.000. Das ist ein Unterschied von 0,2%.6
Viele offene Fragen
Unklar bleibt in den Studien, in welchem Ausmaß sich bei geimpften jungen Frauen, die noch keinen Geschlechtsverkehr hatten, Zellveränderungen am Gebärmutterhals entwickeln, die auf den vielen HPV-Typen beruhen, die nicht durch die HPV-Impfung abgedeckt sind. Ohne dies zu wissen, lässt sich letztlich weder der tatsächliche Nutzen der Impfung noch die Rolle anderer krebsbegünstigender HPV-Typen zuverlässig bewerten.1
Weil die Impfung nur gegen bestimmte HPV-Typen wirkt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie eventuell die Besiedelung mit anderen – auch gefährlichen – Papillomviren fördert. Darauf deuten bereits die vorhandenen Studien hin. Ungeklärt ist auch, wie lange die Impfung tatsächlich schützt und ob, beziehungsweise wann, Auffrischimpfungen erforderlich sind.
Noch drängender ist die Frage, ob die Impfung den natürlichen Verlauf der Infektion beeinflusst. Wie bei Windpocken könnte die Infektion schwerer verlaufen, wenn sie nach Abklingen des Impfschutzes erst im höheren Alter auftritt.10 Auch könnten Frauen im Vertrauen auf den Impfschutz weniger motiviert sein, an Früherkennungsmaßnahmen zum Gebärmutterhalskrebs teilzunehmen. Diese kann und darf die Impfung nicht ersetzen.
Zu den Nebenwirkungen
Vier von fünf Frauen reagieren an der Injektionsstelle mit Schmerzen, Rötung, Schwellung und Juckreiz, jede siebte mit Fieber. Auch schwerwiegende Reaktionen wie Krampfanfälle oder Lähmungen werden mit der Impfung in Verbindung gebracht, sogar drei Todesfälle. Zwei junge Frauen sollen an Gefäßverschlüssen gestorben sein, die aber auch durch die „Pille“, mit der beide verhütet haben, ausgelöst worden sein könnten. Ein geimpftes Mädchen ist an einer Herzmuskelentzündung gestorben, die bereits vor der Impfung bestanden haben soll.1 Bei einer geimpften jungen Frau entwickelte sich eine Krebsgeschwulst im Bereich der Schamlippen.13
Beim Preis kräftig zugelangt
Mit rund 450 € für die drei erforderlichen Impfungen ist Gardasil® die mit Abstand teuerste Impfung für Kinder und Jugendliche. Der Schutz vor Infektionen durch die vier Papillomviren kostet doppelt so viel wie die vollständige Impfung gegen acht Kinderkrankheiten. Da der überzogene Hochpreis jetzt etabliert ist, werden weitere HPV-Impfstoffe (das Präparat Cervarix® von GlaxoSmithKline wird demnächst auf den Markt kommen) entsprechend teuer werden. Pro Jahr wird das Medikament die Kassen schätzungsweise eine halbe Milliarde Euro kosten. Dieses Geld wird in anderen Bereichen des Gesundheitswesens fehlen.
Unter Einfluss?
Die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (STIKO) hat es versäumt, den Preis der Impfung herunter zu handeln, bevor sie diese in den allgemeinen Impfkalender aufgenommen hat. Der Vorsitzende der STIKO wird sogar mit den Worten zitiert, Geld sei in Deutschland vorhanden.7 Diese Sicht mag auch dadurch beeinflusst sein, dass er 2006 – vier Monate vor Markteinführung des Impfstoffes – vom Gardasil®-Hersteller einen mit 10.000 € dotierten Preis erhalten hat „für sein besonderes Engagement zur Förderung des Impfgedankens“.8 Von einem Vorsitzenden einer öffentlich eingesetzten Kommission wäre zu erwarten gewesen, dass er den Preis des Impfstoffherstellers entschieden ablehnt. Schließlich besteht ein beträchtlicher Interessenkonflikt, da er über dessen Produkte zu befinden hat. Inzwischen hat der STIKO-Vorsitzende übrigens zur Impfstofffirma des Schweizer Pharmakonzerns Novartis gewechselt.9
In anderen Ländern wurden niedrigere Preise ausgehandelt: In Australien erfolgte die Aufnahme in das nationale Impfprogramm erst nach weitreichenden Zugeständnissen des australischen Gardasil®-Anbieters. Die dreimalige Impfung kostet dort „nur“ umgerechnet rund 290 €, in den USA sogar noch etwas weniger.
Schlichtweg unbezahlbar ist die HPV-Impfung in armen Ländern. Aber gerade dort erkranken Frauen besonders häufig an Gebärmutterhalskrebs. Maßnahmen zur Früherkennung durch Frauenärztinnen und -ärzte sind wenig verbreitet. Allerdings sind Impfungen unter solchen Bedingungen nicht leichter durchzuführen als eine effektive Vorsorge.
Dass die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) schon wenige Monate nach der Zulassung offiziell für alle Mädchen von 12 bis 17 Jahren empfohlen wurde, halten wir für verfrüht. Angesichts der Vielzahl der potenziellen krebserregenden HPV-Typen fällt der Schutz vor Gebärmutterhalskrebs bescheiden aus. Wer sich impfen lässt, darf sich nicht in Sicherheit wiegen. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sind weiterhin erforderlich. Mit rund 450 € für die erforderlichen drei Impfungen ist Gardasil® inakzeptabel teuer.
Stand: 1. Oktober 2007 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2007 / S.03