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Neutrale Kampagne gegen die Vergesslichkeit?

Die Broschüre wirkt neutral. Unter dem Titel „Warnzeichen Vergesslichkeit“ geht es angeblich darum, „Gedächtnisstörungen im Alter ernst“ zu nehmen. Herausgeber ist ein Institut für Gesundes Altern. An dessen Unabhängigkeit kommen Zweifel auf, denn die Broschüre erscheint „mit freundlicher Unterstützung von Tebonin“ – einem Ginkgo-Medikament des Herstellers Schwabe. Da wundert es nicht, dass die Broschüre neben allen möglichen gut gemeinten Tipps bei Gedächtnisschwäche auf Seite 15 zu folgender Empfehlung kommt: Die regelmäßige Einnahme von Ginkgo könne, hoch dosiert und täglich eingenommen, „das Gedächtnis spürbar verbessern“. Deutliche Werbung für ein zweifelhaftes Produkt.

Broschüre mit Werbung für ein Gingko-Medikament gegen Gedächtnisschwäche
Abbildungen: Warnzeichen Vergesslichkeit (2012) Broschüre „Gedächtnisstörungen im Alter ernst nehmen“
  • Gütesiegel? Das von Schwabe gesponserte „Institut für hausärztliche Fortbildung “ revanchiert sich mit einer Patientenempfehlung auf der Werbebroschüre.
  • „Heilpflanze mit Tradition“: Auch der Aderlass war lange Zeit Tradition. Wir leben aber im 21. Jahrhundert und benötigen aussagekräftige Nutzenbelege.
  • Nur Positives: Informationen zu unerwünschten Wirkungen oder Anwendungsbeschränkungen fehlen in der Werbebroschüre.
  • „Warnzeichen“: Der Hinweis auf „Warnzeichen“ verunsichert und kann zum Kauf von Ginkgo animieren.
  • Formgebung: Die Form des umgekehrten Ginkgoblattes erinnert an die beiden Hemisphären des Gehirns. Hier wirkt die Suggestivkraft des Bildes (mehr aber wohl nicht).

Das Ginkgo-haltige Medikament Tebonin® ist nicht zur Vorbeugung zugelassen, sondern nur zur Behandlung von „hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei demenziellem Syndrom“. Der Nutzen ist nicht überzeugend belegt – trotz jahrzehntelanger Forschung. Immerhin ist Tebonin® seit 1965 auf dem Markt! Die Studien widersprechen sich in ihren Ergebnissen: Studien, die auf eine Wirkung hindeuten, sind eher von zweifelhafter Qualität, während Studien von hoher Qualität keinen eindeutigen Nutzen von Ginkgo nachweisen können (siehe GPSP 1/2010 S. 9). Unerwünschte Wirkungen wie Magen-Darmprobleme sind selten. Wer aber bereits unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet, hat nach einer Studienauswertung bei der Einnahme von Ginkgo-Präparaten ein erhöhtes Risiko für Komplikationen.1 Zum Krebsverdacht, der aus Tierstudien abgeleitet wird, siehe Seite 18. Tebonin®– Produkte kosten bis zu 55 Euro monatlich. Die Kosten müssen überwiegend aus eigener Tasche getragen werden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.28