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© sturti/ iStockphoto.com

Wenn Studiendaten fehlen

Welche Rolle Zulassungsbehörden und Universitäten spielen

Was, wenn ein Medikament nicht nützt oder gar schadet – und wir wissen es nicht, weil die Ergebnisse aus klinischen Studien unveröffentlicht bleiben? Längst gibt es offizielle Regeln zur Publikation von Studiendaten. Aber nicht immer werden sie eingehalten.

Woher wissen wir eigentlich, ob ein Arzneimittel bei einer bestimmten Krankheit hilft – und falls ja, wie viel genau? Oder welche Nebenwirkungen auftreten können? Um das herauszufinden, werden klinische Studien durchgeführt, die Antworten auf diese wichtigen Fragen geben sollen.

Die Ergebnisse sind nicht nur für die medizinische Wissenschaft interessant, sondern vor allem auch für Patient:innen sowie Ärztinnen und Ärzte. Auch für die Finanzierung des Gesundheitssystems spielen die Studiendaten eine Rolle: Denn die knappen Ressourcen sollen nicht an unnütze oder gar schädliche Mittel verschwendet werden.

Nichtwissen schadet

Deshalb ist es problematisch, wenn die Ergebnisse von klinischen Studien nicht veröffentlicht werden. Prominentestes Beispiel: Beim Grippemittel Tamiflu® mit dem Wirkstoff Oseltamivir hatte der Anbieter Studien zurückgehalten und nur diejenigen veröffentlicht, bei denen das Mittel einen Nutzen zeigte. Als die geheimgehaltenen Studien später schließlich auftauchten, zeigte sich, dass Tamiflu® kaum hilft, Grippekomplikationen zu vermeiden. Nebenwirkungen waren aber häufig. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bundesländer in Deutschland bereits für rund 500 Millionen Euro Tamiflu® für den Pandemiefall eingelagert.

Veröffentlichung Pflicht

Um solche Probleme künftig zu vermeiden, gibt es seit einiger Zeit für die meisten Arzneimittelstudien die Verpflichtung, dass die Studienverantwortlichen die Untersuchungen vor Beginn registrieren, sodass sie nicht einfach im Nachhinein verheimlicht werden können, etwa wenn eine Studie enttäuschend ausfällt. Die Ergebnisse sind spätestens ein Jahr nach Abschluss der Untersuchungen im öffentlichen Studienregister zu hinterlegen. Diese Regeln gelten übrigens unabhängig davon, ob die Daten bei medizinischen Kongressen oder in Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Denn bis das passiert, verstreicht oft viel Zeit.

Dass Studiendaten zu Medikamenten zeitnah veröffentlicht werden, ist also theoretisch geregelt. Die Praxis sieht leider anders aus: Auswertungen der europäischen1 und US-amerikanischen Register2 zufolge fehlen derzeit die Daten von knapp 30 Prozent der Studien.

Mehr Details

Dass die Ergebnisse nicht zuverlässig in die Studienregister eingespeist werden, ist übrigens nur ein Teil des Problems: Denn die Studienverantwortlichen sind nur verpflichtet, im Register eine Zusammenfassung der Daten zu veröffentlichen. Um konkrete medizinische Fragen zu beantworten, ist das oft zu wenig. Selbst wenn die Studien in medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden, sind Informationen zu Nutzen und Risiken meist nicht vollständig.3 Wesentlich detaillierter sind die vollständigen Studienberichte (clinical study reports, CSR), die Firmen den Behörden im Rahmen der Zulassung übermitteln, aber in der Regel selbst nicht frei veröffentlichen. Das wäre aber zum Beispiel für unabhängige Auswertungen wichtig. Ohne die CSR bleiben besonders Informationen zu unerwünschten Effekten oft unter dem Radar.4

Was müsste sich ändern, um die Situation zu verbessern? Und was könnten die Aufsichtsbehörden tun? Darüber haben wir mit Till Brückner von der Initiative TranspariMED gesprochen.

Transparenz in der EU
GPSP 3/2014, S. 15

Tamiflu®
GPSP 1/2010, S. 5

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2021 / S.20