Was ist eigentlich Rheuma?
Wenn sich Gelenke entzünden
Rheuma? Das hat doch etwas mit Schmerzen und Schwellungen in den Gelenken zu tun. Hinter diesem Oberbegriff können aber ganz unterschiedliche Erkrankungen stecken. GPSP gibt einen Überblick und beschreibt das häufigste entzündliche Rheumaleiden: die Rheumatoide Arthritis.
Mit „Rheuma“ wird eine Reihe von Erkrankungen bezeichnet, denen Schmerzen in Gliedern und Gelenken gemeinsam sind. Eine typische Folge sind Bewegungseinschränkungen. Allerdings sind die Ursachen und der Krankheitsverlauf sehr unterschiedlich.
Der Begriff Rheuma geht auf die „Säftelehre“ der griechischen Antike zurück. Schon um 400 v. Chr. entwickelte der Altvater der Medizin Hippokrates eine Theorie zur Krankheitsursache: Vom Gehirn fließt Schleim herab, der in den Gliedmaßen beziehungsweise Gelenken dann die rheumatischen Beschwerden auslöst.
Erst in den letzten 50 Jahren konnte man mit wissenschaftlichen Methoden das Phänomen Rheuma besser durchdringen. Inzwischen unterscheiden Mediziner einige Hundert Krankheiten, die alle dem „rheumatischen Formenkreis“ angehören. Rheuma ist also nicht gleich Rheuma (siehe Kasten S. 11).
Ein Volksleiden
Rheumatische Erkrankungen sind hierzulande weit verbreitet. Am häufigsten sind nicht-entzündliche, verschleißbedingte Arthrosen in den Gelenken, hauptsächlich in den Knien, gefolgt von Arthrose in den Hüftgelenken. An dritter Stelle stehen die entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Frauen – die bekanntlich meist älter als Männer werden – bekommen sie etwas häufiger als diese. Der Krankheitsbeginn liegt meist zwischen 50 und 70 Jahren. Aber auch Kinder können an Rheuma erkranken.1
Angriff auf die Gelenke
Die Nummer 1 unter den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen ist die Rheumatoide Arthritis. Sie kann sehr aggressiv verlaufen und Gelenke zerstören. Damit verbunden ist die Gefahr von dauerhaften Behinderungen.
Bei dieser Form von Rheuma entzünden sich meist mehrere Gelenke. Als Erstes sind oft die Finger betroffen. Es können aber praktisch alle anderen Gelenke geschädigt werden. Durch einen Autoimmunprozess entzündet sich die Innenhaut der Gelenke. Das kann mit der Zeit zu Deformationen der Hände führen, wie man sie bei älteren Menschen manchmal sieht.2
Die Ursachen dieser und anderer entzündlich-rheumatischer Krankheiten sind bis heute nicht ausreichend geklärt. Bei etwa jedem zweiten Patienten besteht wahrscheinlich eine genetische Veranlagung. Aber auch die Lebensumstände spielen eine Rolle: Vor allem Rauchen erhöht das Erkrankungsrisiko um ein Vielfaches.3
Die Krankheit erkennen
Um eine rheumatische Erkrankung zu diagnostizieren oder auszuschließen, befragen Arzt oder Ärztin Betroffene zunächst nach ihren Beschwerden. Dann folgen Laboruntersuchungen, bei denen als die wichtigsten Laborwerte der Rheumafaktor (RF) und die Antikörper gegen citrullinierte Peptide (ACPA, auch anti-CCP) bestimmt werden.4 Ein hoher ACPA-Wert weist auf ein erhöhtes Risiko für einen schwereren und gelenkschädigenden Verlauf hin.
Zusätzlich können Ultraschall, Röntgen und Magnetresonanztomographie (MRT) vor allem in der Spätphase dazu beitragen, die Diagnose abzusichern und von andern chronischen Gelenkerkrankungen abzugrenzen.
Seit 2010 gelten für die Rheumatoide Arthritis Klassifikationskriterien, die außer Laborwerten den Zustand der Gelenke und die Dauer der Beschwerden einbeziehen.5 Damit Ärzte den „Aktivitätsgrad“ der Krankheit einschätzen und eine hilfreiche Therapie planen können, wurde als „Messinstrument“ der Disease Activity Score (DAS) entwickelt. Er erfasst die Zahl geschwollener und druckschmerzhafter Gelenke, das subjektive Befinden sowie Entzündungsparameter im Blut.
Die Krankheit behandeln
Sobald die Diagnose steht, sollte die Therapie beginnen.6 Denn niemand muss die Beschwerden „aushalten“. Außerdem lässt sich das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen.
Bis auf das Rauchen sind die auslösenden Faktoren einer Rheumatoiden Arthritis kaum zu beeinflussen, und nicht-medikamentöse Maßnahmen spielen speziell zu Beginn nur eine begleitende Rolle. Daher verordnen Ärzte meist bereits im frühen Stadium Medikamente, die die Symptome lindern. Bei den Arzneimitteln unterscheidet man „allgemein wirksame Medikamente“ wie die nachstehend genannten Schmerzmittel und „speziell bei rheumatischen Erkrankungen wirksame Medikamente“. Für Letztere hat sich das Kürzel DMARD (disease-modifying antirheumatic drugs) durchgesetzt.
Rheumapatienten leiden vor allem unter Schmerzen – das gilt für alle Rheumaformen. Daher stehen Schmerzmittel an erster Stelle, etwa Paracetamol, Naproxen und Diclofenac oder leichte Opioide wie Tilidin oder Tramadol. Starke Opioide sollen Ärzte eher nicht verordnen. Ein Teil dieser Schmerzmittel hat zusätzlich entzündungshemmende Eigenschaften. Das heißt sie können „zwei Fliegen mit einer Klappe“ schlagen: Schmerzen lindern und die dafür ursächliche Entzündung hemmen.
Zunächst: Basistherapie
DMARD werden unterteilt in konventionelle synthetische DMARD (csDMARD) und in biologische DMARD (bDMARD). Hauptwirkstoff bei den konventionellen Mitteln ist Methotrexat (MTX), das Arzt oder Ärztin meist bereits bei der Diagnosestellung verordnen. Der Wirkstoff ähnelt in seiner Struktur der Folsäure. Sie spielt eine wichtige Rolle bei Zellteilungen – zum Beispiel von Immunzellen, deren Aktivität man bei Autoimmunreaktionen ja eingrenzen will. Wird nun Methotrexat eingenommen, kann die Folsäure nicht mehr so gut wirken. In den bei Rheuma üblichen geringen Dosen kann Methotrexat jahrelang eine gute Hilfe sein.
Ein weiteres wichtiges DMARD der konventionellen Sorte sind Cortisonabkömmlinge: Sie sind bekanntlich „Allrounder“ bei der Therapie entzündlicher Erkrankungen. Um akute Krankheitsschübe zu unterbinden, können Ärzte Cortisonabkömmlinge kurzfristig hochdosiert verordnen. Bei der Dauertherapie wird dann vorzugsweise niedrig dosiert.
Eine medikamentöse Therapie beginnt im Regelfall mit Methotrexat als Monotherapie – also ohne weitere DMARD.7 Da der Wirkstoff jedoch Wochen bis sogar Monate bis zum erwünschten Wirkungseintritt benötigt, kann ein Cortisonabkömmling als Überbrückung dienen.
Andere Mittel aus der „klassischen“ Medikamentengruppe sind (Hydroxy-)Chloroquin, Leflunomid, Sulfasalazin oder Goldpräparate. Sie sind nicht besser wirksam als Methotrexat, aber weniger gut erprobt und nebenwirkungsreicher. Daher werden in der Ersttherapie diese Alternativen nur als Reservemittel empfohlen, wenn also Methotrexat nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist.7
Der nächste Schritt: Biologika
Um das Jahr 2000 wurde eine neue Medikamentenklasse zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis eingeführt, die vor allem die Langzeitbehandlung stark verändert hat: biologische DMARD. Bei diesen Biologika handelt es sich mehrheitlich um TNF-alpha-Blocker. Sie blockieren den körpereigenen Botenstoff TNF (= Tumornekrosefaktor), der normalerweise Entzündungsreaktionen in Gang hält.
Zu solchen Biologika raten Ärzte allerdings erst dann, wenn die Basistherapie nicht (mehr) ausreichend wirksam ist oder die Nebenwirkungen insbesondere von Methotrexat zu stark sind.8 Manchmal werden biologische DMARD mit Methotrexat kombiniert.
Neben den hochpreisigen DMARD-Biologika gibt es inzwischen auch schon einige Biosimilars (GPSP 1/2018, S. 12), also strukturähnliche Nachfolgeprodukte, die ähnlich gut wirken, jedoch preisgünstiger sind.
Damit ist zu rechnen
Alle Arzneimittel haben unerwünschte Wirkungen – so auch die Rheumamedikamente. Jeder Wirkstoff hat sein eigenes Nebenwirkungsprofil.
Das im Regelfall zur Basistherapie eingesetzte Methotrexat vertragen die meisten Rheumapatienten gut, auch bei langfristiger Einnahme. Am ehesten kommt es zu Magen-Darm-Problemen. Das Medikament führt nur selten zu schweren Nebenwirkungen wie Blutbildveränderungen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion darf es allerdings nicht verordnet werden. Daher sind regelmäßige Laborkontrollen erforderlich. Cortisonabkömmlinge sind auf Dauer nebenwirkungsträchtig und sollten deshalb möglichst nur zwei bis drei Monate verwendet werden.
Bei den DMARD-Biologika sind die unerwünschten Wirkungen etwas schwerer abzuschätzen, weil diese Mittel generell stärker in das Immunsystem eingreifen und so Infektionen begünstigen und eventuell Infektionskrankheiten wie Tuberkulose reaktivieren können.7
Was hilft noch?
Allen entzündlich-rheumatischen Krankheiten ist gemeinsam, dass sie nur selten spontan ausheilen und daher oft der dauerhaften Behandlung bedürfen.2 Nach Möglichkeit sollen die Beschwerden durch die Therapie verschwinden oder nur noch ein Gelenk von Schmerzen betroffen sein.
Für Betroffene sind daher auch nicht-medikamentöse Therapieverfahren nützlich, allerdings erst dann, wenn die Krankheit die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. Hilfreich sind je nach Befinden Physiotherapie, Ergotherapie und physikalische Methoden. Auch unterstützende Hilfsmittel, sozialmedizinische Beratung und psychologische Begleitung sind wichtig. Sind die Gelenke stark geschädigt, können chirurgische Verfahren die richtige Wahl sein. Wie bei allen chronischen Erkrankungen spielt auch die Patientenschulung eine zunehmend wichtige Rolle.9
——————— Dieser Artikel wurde am 18.6.2018 korrigiert —————————
Stand: 8. März 2018 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2018 / S.10