Zum Inhalt springen
©laboko/fotolia

Wenn der Husten quält

GPSP: In diesem Jahr haben die Allgemeinmediziner, die man vor allem als Hausärzte kennt, ihre aktualisierte Leitlinie zum Thema Husten veröffentlicht. Bevor wir ins Thema Husten einsteigen, die Frage: Wozu sind Leitlinien da?

Beck: Ein Arzt oder eine Ärztin kann heute nicht alles zu einem Thema lesen. In Leitlinien sind die aktuellen Forschungsergebnisse aufbereitet. Das unterstützt Ärzte, sichert die Qualität der medizinischen Versorgung und nützt dadurch natürlich den Patienten.

GPSP: Wie geht man denn bei der Aktualisierung einer Leitlinie vor?

Beck: Wir machen eine systematische Literatursuche zum Thema, es werden also nicht nur Experten befragt, und die Ergebnisse werden in einem Text zusammengeführt. Daraus ergeben sich Empfehlungen für die Diagnostik oder Therapie, etwa bei Verdacht auf Lungenentzündung. Diese Empfehlungen sind mit Fachgesellschaften abgestimmt wie etwa beim Husten mit Lungenfachärzten, Infektionsmedizinern oder auch Physiotherapeuten. Ein Patientenvertreter ist bei den Beratungen auch dabei.

GPSP: Was hat sich denn jetzt durch die Aktualisierung der Husten-Leitlinie verändert?

Beck: Zum Beispiel die Einteilung in akuten und chronischen Husten. Früher haben wir nur in den ersten drei Wochen von „akutem Husten“ gesprochen. Danach galt er als chronisch. Heute machen wir den Schnitt bei acht Wochen. Erst danach sprechen wir vom „chronischen Husten“, der andere Strategien erfordert.

GPSP: Aber unangenehm ist die Husterei immer. Wie kommt es überhaupt zum Husten?

Beck: Husten ist ein lebenswichtiger Reflex, den man nicht unterdrücken kann. Wenn etwas in die Luftwege gelangt, versucht der Körper es wieder loszuwerden. Das kann Schleim sein – als Folge einer Entzündung in den Atemwegen – oder winzige Partikel, die bei einem Brand oder mit dem Tabakqualm inhaliert werden. In den Atemwegen gibt es spezielle Rezeptoren, die dann den Hustenreflex auslösen.

GPSP: Meistens tritt Husten ja bei einer Erkältung auf, wenn die oberen Atemwege von Viren infiziert sind. Wann handelt es sich denn um eine Bronchitis?

Beck: Oft sind die Grenzen fließend. Wenn aber mäßiges Fieber auftritt und die Bronchien, also die größeren Verzweigungen der Atemwege in der Lunge stärker betroffen sind, wenn der Husten sich länger hinzieht und mehr Auswurf vorhanden ist, dann handelt es sich meist um eine richtige Bronchitis. Diese Grenzziehung ist aber gar nicht so wichtig, weil beides von allein und ohne Antibiotika ausheilt. Entscheidender ist die Abgrenzung zur Pneumonie

GPSP: … also zur Lungenentzündung?

Beck: Genau. Betroffen sind dann auch kleinste Verzweigungen einschließlich der Lungenbläschen. Man hat typischerweise hohes Fieber, fühlt sich sehr krank. Mein Rat ist, schnell eine Arztpraxis aufzusuchen, damit eine antibiotische Therapie eingeleitet werden kann.

GPSP: Was macht denn die Ärztin oder der Arzt, wenn man mit Husten in die Praxis kommt?

Beck: Wichtig ist, dass Ärzte die Beschwerden und den bisherigen Verlauf der Erkrankung, also die Krankengeschichte, genau erfragen. Zur körperlichen Untersuchung gehören unter anderem die Untersuchung von Mund, Rachen und Nase, natürlich auch das Abhören und Abklopfen der Lunge. Zusätzliche technische Untersuchungen sind in der Regel2 nicht nötig, auch dann nicht wenn der Verdacht auf eine Bronchitis besteht. Der Arzt muss weder den Auswurf im Labor untersuchen, noch ein Röntgenbild machen lassen oder Blut abnehmen. Das hilft nämlich alles nicht wirklich weiter. Wenn ich als Ärztin allerdings aufgrund dessen, was der Patient mir erzählt, und angesichts seines Zustands eine Pneumonie vermute, würde ich ein Röntgenbild veranlassen.

GPSP: Eine Frage, die man sich auch beim Erkältungshusten stellt: Spielt es eine Rolle, ob der Auswurf gelb oder grün ist?

Beck: Die Färbung ist irrelevant und auch kein Hinweis auf eine Bronchitis oder Pneumonie. Zwar finden sich bei grünem Auswurf manchmal Bakterien im Sekret, aber das ist kein Grund, ein Antibiotikum einzunehmen. Tatsächlich beunruhigt ein gelb-grüner Auswurf viele Patienten.

GPSP: Wenn nach einer Erkältung der Husten anhält, fühlt sich das recht bedrohlich an.

Beck: Ja, aber es ist ziemlich normal. Darum sprechen wir in der aktuellen Leitlinie erst nach der achten Woche von chronischem Husten. Wer nach einer Erkältung noch drei oder vier Wochen hustet, muss nicht unbedingt mit einer schlimmen Ursache rechnen. Da muss auch nicht sofort die große Untersuchungsmaschinerie angeworfen werden.

GPSP: Wenn die ärztliche Diagnose „akute Bronchitis“ lautet, was ist dann zu tun?

Beck: Gemeinsam mit dem Hausarzt entscheidet der Patient zum Beispiel, ob er eine Krankschreibung benötigt, denn das hängt ja von mehreren Faktoren ab – auch von der beruflichen Tätigkeit. Meistens bessert sich der Allgemeinzustand relativ rasch, nur der Husten kann länger anhalten.

GPSP: Können Medikamente nachhelfen?

Beck: Arzneimittel sind bei Erkältungshusten und akuter Bronchitis ziemlich machtlos. Aber zum Glück funktionieren die Selbstheilungskräfte des Körpers recht gut. Viele Patienten bedauern, dass man nichts machen kann, um die Genesung zu fördern. Aber die positive Botschaft ist, dass man meist auch nichts machen muss!

GPSP: Kranke können es heutzutage schlecht aushalten, wenn sie nichts einnehmen oder extra kaufen sollen.

Beck: Durch meine Tätigkeit in einer Praxis in Berlin-Neukölln mit vielen Hartz-IV-Empfängern habe ich die Erfahrung gemacht, dass dort die Menschen erleichtert sind, wenn man sagt: „Sie müssen nichts machen. Sie müssen kein Geld ausgeben, Sie können einfachen Tee trinken oder heißen Wasserdampf inhalieren. Es reicht einen ganz normalen Tee zu trinken. Sie brauchen nichts in der Apotheke zu kaufen. Sie kriegen das auch so hin.“

GPSP: Anderseits verordnen Ärzte oft überflüssigerweise Antibiotika. Warum?

Beck: Ein typischer Mechanismus ist, dass Ärzte vermuten, ihre Patienten möchten ein Antibiotikum, obwohl diese es vielleicht gar nicht möchten. Und bevor man sich darüber auseinandersetzt, ist es oft wohl einfacher, ein Antibiotikum zu verschreiben. Wir haben aber tatsächlich Studien aus dem Hausarztbereich, die zeigen, dass es anders geht: Voraussetzung sind gute Patienteninformationen,1 die darüber aufklären, dass man bei Erkältung oder Bronchitis kein Antibiotikum braucht (siehe GPSP 6/2007, S.3). Ganz anders ist das bei einer Lungenentzündung.3 Wichtig ist: Wenn man Ärzte so schult, dass sie die Zusammenhänge gut vermitteln, dann geht die Verschreibungsrate tatsächlich runter.4

GPSP: Viele Patienten möchten einfach etwas Linderung ihrer Beschwerden. Kann man da etwas tun?

Beck: Bei Kopf- und Gliederschmerzen sind oft einfache Schmerzmittel hilfreich, etwa Paracetamol.

GPSP: Und wenn sich der Husten schon nicht kurieren lässt, wie lässt er sich abschalten?

Beck: Es gibt Mittel, die einen trockenen Reizhusten unterdrücken sollen, die so genannten Antitussiva, auch Hustenblocker genannt. Manche sind rezeptfrei erhältlich, andere werden verordnet. Das Problem ist, dass sie den Studien zufolge nicht überzeugend wirken. Manchmal ist das verschreibungspflichtige Codein hilfreich – vermutlich aber weniger, weil es einen Erkältungshusten unterdrückt als vielmehr weil es müde macht und dadurch den Nachtschlaf verbessern kann. Man kann Codein-Präparate vorübergehend verordnen, wenn Patienten nachts so viel husten, dass sie nächtelang schlecht schlafen. Aber bei Codein, das mit Morphium verwandt ist, besteht ein gewisses Abhängigkeitspotenzial, auf das man hinweisen muss.5

GPSP: Was ist von Expektoranzien zu halten?

Beck: Auch bei diesen Mitteln, die festsitzenden Schleim verflüssigen sollen, damit er besser abgehustet werden kann, fehlen gute Nutzenbelege. Die dahinterstehende Idee ist zwar vernünftig, aber ob das in der Praxis funktioniert, ist immer noch nicht nachgewiesen. Leider gibt es wirklich wenige Studien zu Erkältungshusten. Die vorhandenen sind zum Teil sehr alt und erfüllen heutige Standards zum Nachweis einer Wirksamkeit nicht. Wer partout etwas machen möchte, kann ein solches Präparat kaufen und ausprobieren.

GPSP: Und sonst?

Beck: Für einige pflanzlichen Mittel gibt es halbwegs vernünftige Studien. Die werden von den Phytopharmaka-Herstellern gemacht. In ihnen zeigt sich rechnerisch durchaus ein Vorteil. Die Frage ist jedoch, ob dieser klinisch relevant ist.

GPSP: Mit anderen Worten, ob der Hustengeplagte davon wirklich profitiert.

Beck: Genau. Es ist die Frage, ob es für den Einzelnen eine Rolle spielt, wenn zum Beispiel in einer Studie Patienten am neunten Tag nach Beginn der Einnahme eines pflanzlichen Präparats im Schnitt etwas weniger husten als eine Vergleichsgruppe, die ein Placebo eingenommen hat.

GPSP: Wie sieht es mit unerwünschten Wirkungen aus?

Beck: Die meisten pflanzlichen Mittel sind gut verträglich. Bei Pelargonium-Zubereitungen (Umckaloabo® u.a. GPSP 5/2011, S. 10), die auch bei Bronchitis angeboten werden, besteht aber der Verdacht, dass sie in seltenen Fällen schwere Leberschäden hervorrufen. Man kann sie also derzeit nicht empfehlen.

GPSP: Kann man denn gar nichts tun, um bei einer Erkältung schneller gesund oder seltener von den Erregern erwischt zu werden?

Beck: Das Einzige, was nachweislich hilft, ist aufhören zu rauchen, wenn man raucht. Und außerdem empfehlen wir natürlich regelmäßiges Händewaschen und zur Erkältungszeit größere Menschenansammlungen zu meiden (GPSP 5/2010, S. 3).

GPSP: Frau Beck, Sie konnten uns kein Geheimrezept gegen Husten verraten, haben aber Vieles zurechtgerückt. Wir warten mit Ihnen auf bessere Studien und danken Ihnen für das Gespräch.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2014 / S.19