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Narkose

Was Ärzte tun, damit SIE sicher sind

Viele Menschen haben Angst vor einer Vollnarkose, vor allem davor, nach der Operation nicht wieder aufzuwachen. Aber diese Gefahr ist in den letzten Jahrzehnten ständig gesunken und äußerst gering,1 obwohl heute chirurgische Eingriffe gemacht werden, die früher undenkbar waren. Was wiederum auch daran liegt, dass Narkosen heutzutage besser steuerbar sind. Darüber sprachen wir mit der Anästhesistin Christel Prellwitz.

GPSP: Die Narkose ist doch genaugenommen etwas Wunderbares. Ich werde schmerzfrei operiert und bekomme nichts mit. Trotzdem haben viele Angst vor der Narkose. Warum?

Dr. Christel Prellwitz: Ich denke, weil man sich ausgeliefert fühlt, die Kontrolle verliert und Angst hat, nicht mehr zu erwachen.

Sprechen Patienten denn mit Ihnen über ihre Ängste?

Wir führen ja ein Vorgespräch, das Prämedikationsgespräch, um abzuklären, was bei dem Einzelnen wichtig ist, was speziell bei ihm zu beachten ist. Und wenn wir unser Infoblatt und den Fragebogen, den jeder vor einer Operation ausfüllen muss, mit dem Patienten durchgehen, kommen meist auch Ängste zur Sprache. Etwa die Angst, nicht wieder aufzuwachen, Übelkeit nach der Operation, gesundheitliche Schäden danach und eben die Angst vor Kontrollverlust. Wir versuchen, die Ängste nach Beurteilung der Gesamtsituation, wenn möglich, auszuräumen oder sie auf ein realistisches Maß zu führen. Manche können vor der Operation gar nicht mehr schlafen.

Was können Sie da tun?

Es ist ganz wichtig, die Ängste ernst zu nehmen, aufmerksam zuzuhören und achtsam mit jedem Menschen umzugehen. Ich muss auch sensibel über die Risiken aufklären, obgleich viele Patienten keine detaillierte Aufklärung wünschen.

Kann sich der Patient oder die Patientin auf die Narkose vorbereiten?

Unbedingt. Das ist eine Gemeinschaftsarbeit von Arzt und Patient. Wenn wir als Ärzte gute Informationen über die Vorerkrankungen erhalten – auch über die Medikamente, die eingenommen werden – , dann können wir besser entscheiden, ob wir weitere Voruntersuchungen veranlassen müssen.

Mehr Information führt zu mehr Sicherheit in der Narkosedurchführung. Was ist damit gemeint?

Ohne Frage waren Narkosen noch nie so sicher wie heute. Das liegt zu einem Gutteil daran, dass wir heutzutage den Patienten und seine Erkrankungen sehr genau kennen – und die Narkose darauf abstimmen können. Außerdem sind die Medikamente in der Anästhesie immer besser geworden und natürlich die technischen Möglichkeiten, um die Körperfunktionen während der Operation und danach zu kontrollieren, also das ganze Monitoring. Das gilt auch für die Nachbetreuung auf der Intensivstation.

Inwiefern sind denn die Medikamente jetzt besser?

Sie beeinträchtigen weniger das Herz-Kreislauf-Verhalten und sie sind besser steuerbar. Dadurch erwachen die Patienten schneller aus der Narkose.

Aber schwere Blutungen sind nach wie vor ein Problem?

Grundsätzlich kann es bei bestimmten Operationen zu starken Blutungen kommen, die auch der Anästhesist beherrschen muss. In Kenntnis der zu erwartenden Blutverluste stellt das Labor bereits im Vorfeld Blutprodukte auf Abruf bereit.

Sind Sie bei den Narkosen alleine zuständig?

Nein. Es arbeiten immer ein Narkosearzt oder eine Narkoseärztin mit einer speziell ausgebildeten Anästhesie-Pflegekraft zusammen. Übrigens können gerade Pflegekräfte kurz vor der Narkoseeinleitung aufkommende Ängste der Patienten mit Umsicht ausräumen.

Können Sie bitte einmal die einzelnen Schritte einer Vollnarkose skizzieren?

Alles Wichtige aus dem Vorgespräch steht auf der ersten Seite des Anästhesieprotokolls, das den Verlauf der Narkose dokumentiert. Wenn der Patient oder die Patientin dann zur OP gefahren wird, sollte er oder sie 6 Stunden nicht gegessen und 2 Stunden nicht getrunken haben.2 Im Prämedikationsgespräch entscheidet der Anästhesist, welche Medikamente am Tag der Operation morgens eingenommen werden sollen. Fast alle Patienten erhalten ein angstlösendes und beruhigendes Arzneimittel, meist ein Benzodiazepin, das sie etwa 20 Minuten vor der Narkoseeinleitung mit 2 Schluck Wasser einnehmen. Patienten, die bei früheren Narkosen an Übelkeit und Erbrechen gelitten haben, geben wir auch ein vorbeugendes Medikament, ein Antiemetikum.

Und was passiert dann, nehmen wir mal eine Gallenblasenentfernung mit Schlüssellochchirurgie?3

Im Einleitungsraum vor dem Operationssaal legt die Pflegekraft einen Zugang für Infusionen in eine Vene, die sogenannte Braunüle, meist auf dem Handrücken. Außerdem schließt sie die Geräte für die Überwachung von Herz, Blutdruck und die Sauerstoffsättigung an. Die Patienten bekommen über eine Narkosemaske zusätzlichen Sauerstoff. Die Narkose wird mit einer Injektion von Schmerz- und Einschlafmittel eingeleitet.4 Innerhalb weniger Sekunden schwindet dann das Bewusstsein. Im Allgemeinen wird dieser Vorgang als sehr angenehm empfunden. Teilweise entsteht ein leichter Druck im Injektionsarm. In Abhängigkeit von der geplanten Operation wird ein Muskelentspannungsmedikament verabreicht. Zur Sicherung der Atemwege legen wir nun einen Tubus in die Luftröhre ein, der zwischen den Stimmbändern durchgeführt wird und der Beatmung dient.

Ist man nach der Operation heiser …

… kann es daran liegen, obwohl der Tubus aus einem speziellen Schleimhaut- verträglichen Material besteht.

Wie geht es weiter?

Bei der Schlüssellochchirurgie werden Operationsinstrumente durch kleine Zugänge in den gasgefüllten Bauchraum geschoben. Durch die Gasfüllung hat der Chirurg eine gute Übersicht über die Bauchorgane und einen direkten Zugriff auf die zu operierende Gallenblase. Dabei muss der Anästhesist darauf achten, dass der Patient ausreichend beatmet wird und der Kreislauf stabil bleibt.

Woran erkennen Sie, dass die Narkose nicht ausreicht?

Der Anästhesist erkennt an vegetativen, also unbewussten Reaktionen des Patienten wie Blutdruck- oder Pulsanstieg, an Tränenfluss, Pupillengröße oder Schweißausbruch und auch an der gesteigerten Produktion von Kohlendioxid, wie gut die Narkose wirkt und ob er die Narkosetiefe verändern muss.

Wodurch kommt man schließlich wieder zu Bewusstsein?

Gegen Ende der Operation wird die Narkosetiefe gezielt durch weniger Narkosemittel verringert und wir geben Medikamente für die Ausschaltung der Schmerzen nach der OP. Nach Abschluss des operativen Eingriffs beenden wir die Narkosemittelzufuhr. Vor dem Erwachen wird der Beatmungsschlauch entfernt, sobald der Patient ausreichend atmet und sichere Schutzreflexe wie Husten und Schlucken vorhanden sind.

Manchmal ist das Aufwachen unangenehm.

Falls Übelkeit auftreten sollte, erhalten die Patienten lindernde Medikamente. Und bei Schmerzen können wir über den bestehenden Venenzugang mit schnellwirkenden Schmerzmitteln Abhilfe schaffen. Auch gegen gelegentlich auftretendes Zittern gibt es Arzneimittel.

Gerade ältere Menschen leiden manchmal noch Tage nach einer Operation unter Verwirrtheit.

Diese Zustände sind fast immer nur vorübergehender Natur, da sie aber den Heilungsprozess beeinträchtigen können, müssen wir sie manchmal mit Medikamenten behandeln.

Frau Prellwitz, vielen Dank für das Aufklärungsgespräch.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2012 / S.12