Zum Inhalt springen
© solidcolours iStock

Migräne vorbeugen: Erenumab besser als Topiramat?

Studie zur Migräneprophylaxe kann nicht alle Fragen klären

In einer Studie scheint Erenumab besser und verträglicher Migräne vorzubeugen als das ältere Medikament Topiramat. Ganz sicher ist die Einschätzung aber nicht.

Seit einigen Jahren gibt es mit dem Wirkstoff Erenumab ein neueres Medikament zur Vorbeugung von Migräneanfällen. Es ist für Personen gedacht, die an mindestens vier Tagen im Monat an Migräne leiden. Ob Erenumab Vorteile gegenüber älteren Mitteln hat, war jedoch lange nicht bekannt. Inzwischen ist aber eine vergleichende Studie mit dem Wirkstoff Topiramat erschienen.

Im Gegensatz zu Topiramat ist Erenumab ein sogenannter monoklonaler Antikörper, also ein Eiweißstoff. Er kann im Gegensatz zu vielen anderen vorbeugenden Migränemedikamenten nicht als Tablette eingenommen werden, weil das Eiweiß sonst im Magen zerstört wird. Deshalb verabreicht man Erenumab als Spritze.

Erenumab: Weniger Migräne

An der Untersuchung nahmen knapp 800 Erwachsene, ganz überwiegend Frauen, teil, die durchschnittlich an zehn Tagen im Monat unter Migräne litten. Die Beschwerden plagten sie im Durchschnitt seit gut 20 Jahren. Sie hatten bisher entweder keine vorbeugende Behandlung erhalten, bis zu drei andere Mittel zur Migräneprophylaxe nicht vertragen oder konnten diese Optionen aus gesundheitlichen Gründen nicht nutzen. Über einen Zeitraum von 24 Wochen erhielten sie nach dem Zufallsprinzip alle vier Wochen Erenumab oder täglich Topiramat.

Die Behandlung brachen wegen schlechter Verträglichkeit etwa 11 Prozent der mit Erenumab Behandelten ab, und etwa 39 Prozent mit Topiramat. Eine Halbierung der monatlichen Migränetage ließ sich mit Erenumab bei jeder zweiten Teilnehmenden erreichen, Topiramat schaffte das bei weniger als einem Drittel. Mit Erenumab hatten die Teilnehmenden im Durchschnitt etwa sechs Tage weniger pro Monat Migräne, mit Topiramat waren es vier Tage weniger.

Mehrwert mit Fragezeichen

Auf dieser Basis hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Erenumab einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen zuerkannt. Sprich: Im Vergleich zu Topiramat verhindert Erenumab möglicherweise Migräneanfälle spürbar und verbessert die Lebensqualität. Auch scheint Erenumab besser verträglich.1 In einem vorherigen Verfahren zur frühen Nutzenbewertung hatte der G-BA einen Vorteil nur für Patient:innen gesehen, für die es gar keine weitere Alternative gibt.2

Allerdings kritisiert der G-BA in seinem neuen Beschluss auch einige Aspekte der Studie: So durfte die Dosis der Studienmedikation nicht reduziert werden, wenn Nebenwirkungen auftraten. Wenn Patient:innen dann Topiramat beziehungsweise Erenumab absetzten, durften sie kein anderes Mittel zur Migräneprophylaxe einnehmen. Diese Beschränkung schmälert die Aussagekraft der Studie.

Topiramat der richtige Vergleich bei Migräne?

Das arznei-telegramm® weist außerdem darauf hin, dass in der Studie als Vergleichsbehandlung nur Topiramat zur Verfügung gestanden hat, obwohl in der Praxis eine individuelle Auswahl des Medikaments wichtig sei. Alternativen wären beispielsweise ein Betablocker, Flunarizin oder Amitriptylin. Topiramat sei wegen seiner relativ schlechten Verträglichkeit meist nicht Mittel der ersten Wahl zur Migräneprophylaxe. Das könnte Erenumab in der Studie einen unfairen Vorteil verschafft haben. Das arznei-telegramm® stuft Erenumab daher weiterhin als Reservemittel ein.3

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2022 / S.10