Arzneimittel für Frauen zu hoch dosiert?
„Bei der Dosierung von Medikamenten wird vermutlich ein Durchschnittsgewicht der behandelten Person zugrunde gelegt. Meine Frau meint, dass sie wahrscheinlich bei einem Körpergewicht von 50 kg zu viel an Wirkstoff bekommt. Stimmt das?“ (O.B.)
GPSP: Im Prinzip hat Ihre Frau Recht. Viele Präparate werden nur in einer fixen Dosisstärke angeboten. Eine auf das Körpergewicht abgestimmte Dosierung ist dann nicht möglich – aber meist auch nicht erforderlich!
Um die passende Dosis für ein Arzneimittel zu finden, lassen Pharmahersteller üblicherweise Dosisfindungsstudien durchführen, in denen beispielsweise 50 mg, 100 mg oder 150 mg eines neuen Wirkstoffes im klinischen Versuch an Patienten vergleichend geprüft werden. Unter Berücksichtigung von Wirksamkeit und Verträglichkeit bestimmt man so eine geeignete Dosis.
Klinische Studien werden überwiegend mit Männern durchgeführt. Insbesondere jüngere Frauen nehmen nur selten teil, weil sie schwanger werden könnten. So kommt es, dass die Testpersonen in der Regel ein höheres Körpergewicht haben als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Die ermittelte Dosis ist darum vermutlich für Frauen (und auch für kleine oder leichte Männer) recht hoch, für besonders große und schwere Menschen vielleicht sogar zu niedrig. Nur bei wenigen Arzneimitteln ist es wirklich wichtig, sie exakt nach Körpergewicht zu dosieren – etwa wenn schon eine gering gesteigerte Dosis zu beträchtlich mehr unerwünschten Wirkungen führt. Außer vom Körpergewicht hängt die erforderliche Dosis z. B. auch davon ab, in welchem Ausmaß sich ein Wirkstoff in verschiedenen Körpergeweben verteilt (GPSP 5/2009, S. 6). Dies ist beispielsweise eine Frage des Fettanteils im Körper.
Wie rasch ein Wirkstoff abgebaut wird, kann ebenfalls relevant sein. Zwischen Männern und Frauen bestehen auch da manchmal beträchtliche Unterschiede. So hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA soeben für Frauen die empfohlene Dosis des Schlafmittels Zolpidem von 10 mg auf 5 mg herabgesetzt. Da Frauen den Wirksto; wesentlich langsamer versto; wechseln als Männer, wirkt das Medikament bei Frauen deutlich länger, mitunter bis in den nächsten Tag hinein.
Dieses aktuelle Beispiel zeigt: Sogar für seit langem bekannte Arzneimittel muss bisweilen die Dosierung neuen Erkenntnissen angepasst werden. Was die optimale Dosis bei Männern und Frauen angeht, ist noch viel zu erforschen.
Stand: 1. Februar 2013 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2013 / S.24