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Alles Latte

War das ein Aufreger, als 2016 eine taffe Frau in einem Café in Prenzlauer Berg – dieser Berliner Baby- und Mütter-Hochburg – ihr dreimonatiges Kind nicht stillen durfte, des Lokals verwiesen wurde und dann nicht einfach abzog, sich nicht zu Hause verkroch und nicht darüber nachdachte, wie lange sie noch stillen mag … Nein, hier vertrat eine akademisch gebildete Mutter ihre Position öffentlich und medienwirksam. Und dann startete sie sogar eine freche Petition, damit unser Familienministerium endlich ein Gesetz zum Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit aus der Tasche zieht.1

Holla die Waldfee! Brauchen wir das?

Die Sache ist die: In Cafés, Restaurants, Kaufhäusern und Fitnesscentern entscheidet hierzulande der Hausherr oder die Hausherrin, ob gestillt werden darf. Logisch! Kann ja nicht das hungrige Baby entscheiden, ob es bekommt, was in aller Regel das Beste ist: Muttermilch. Und zum Glück haben wir das zivilisatorische Niveau indigener Bewohner des Amazonasbeckens hinter uns gelassen, wo die Kleinen meist selbst bestimmen, wann und wie oft sie an der Brust nuckeln. Ein Café ist eben ein Café und keine Hängematte im brasilianischen Dschungel.

Hygienisch zubereitete Latte aus der Flasche, das hätte der Prenzlauer Hausherr sicher ertragen – und womöglich auch die Gäste, die sich ihm gegenüber als Still-Verstörte geoutet hatten. Denn es will nicht jeder, dass im Café die Mutterbrust zu ihrem biologisch bestimmten Einsatz kommt. Und auch Busfahrer haben als fahrende Hausherren schon Müttern das Stillen verweigert.

Drum hat die Nationale Stillkommission nun untersuchen lassen, wie gut Stillen in der Öffentlichkeit von eben dieser akzeptiert ist.2 Und das ergab: 6 von 100 Befragten „fühlten sich vom Anblick stillender Mütter gestört“. Und sogar 20 von 100 stimmten weitgehend der Aussage zu: „Frauen sollten ihre Brüste Fremden gegenüber nicht entblößen, auch nicht zum Stillen.“ Völlig richtig! Wir sind ja nicht bei bild.de oder im Zeitschriftenladen, wo Frauen auf Hochglanzcovern „ihre Brüste Fremden gegenüber entblößen.“ Aber das ist sowieso was ganz anderes: keine lebendige Haut, kein schmatzendes Baby, das wohlgesättigt vielleicht noch Überflüssiges ausspeit.

Die Stillkommission sieht das irgendwie anders und will die Akzeptanz des Stillens in der Öffentlichkeit per Kampagne erhöhen – mit positiven Botschaften wie „Stillen ist gesund“, einer Still-App und öffentlichen Stillräumen … Gähn. Mal eine persönliche Meinung: Hier fehlt „Stillen ist schön.“ und „Ich stille da, wo ich bin.“

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2017 / S.18