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©Annika_Ucke

Kriminell: Vier auf einen Streich

Weil eine Frau durch ein angeblich traditionelles Kräutermittel schwer geschädigt wurde, warnte eine Internetplattform aus Singapur vor dem Produkt „PHQ 1001 Khasiat Penawar Herba Qaseh Serata Herb“, das tatsächlich „starke westliche Arzneistoffe“ enthält.1 Das so genannte Kräutermittel wird unter anderem gegen Schmerzen, Impotenz, Nierenerkrankung und Schlaganfall propagiert. Die ältere Frau hatte es gegen ihre Schmerzen eingenommen.

Dass die Beschwerden unter der Einnahme des Produkts erstaunlich rasch abklangen, überzeugte sie von dem angeblich harmlosen „traditionellen“ Mittel und sie schluckte es anschließend längere Zeit. Währenddessen nahm sie rasch zu und ihr Gesicht rundete sich zu einem Mondgesicht – typische Anzeichen für unerwünschte Folgen der langzeitigen Einnahme eines Kortisonpräparats. Dazu passt auch, dass ihr Arzt eine Diabeteserkrankung feststellte. Auffällig war schließlich: Bekannten, denen sie das Produkt empfohlen hatte, nahmen ebenfalls an Gewicht zu.

Bei der Überprüfung des „traditionellen“ Produktes im Labor wurde das starke Kortikoid Dexamethason entdeckt. Aber nicht nur das: Gleichzeitig fanden sich das Antipilzmittel Griseofulvin, das Rheuma- und Schmerzmittel Piroxicam sowie der Schmerz- und Fiebersenker Paracetamol. Es handelt sich somit um ein besonders abschreckendes Beispiel für ein illegales gepanschtes Produkt, das Verbraucher schwer schädigen kann. Selbst das Absetzen von Kortikoid-haltigen Produkten kann Probleme bereiten. Denn nach längerer Einnahme kann ein plötzlicher Abbruch zu Müdigkeit, Verwirrtheit, Blutdruckabfall und anderen Entzugssymptomen führen.

Die geschädigte Frau war in sozialen Medien auf das als traditionelles Mittel bezeichnete Produkt aufmerksam geworden. Über das Internet ist es weltweit erhältlich. Konsequenterweise warnen beispielsweise auch die Behörden Kanadas vor dem gepanschten Nahrungsergänzungsmittel.

Die singapurischen Behörden betonen: Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn für angeblich pflanzliche, natürliche oder traditionelle Produkte rasche Hilfe bei chronischen Erkrankungen versprochen wird – wie etwa rasche Schmerzlinderung. Und Zurückhaltung ist auch angebracht, wenn derartige Produkte von wohlmeinenden Freunden und Bekannten empfohlen oder über soziale Medien bzw. das Internet – garniert mit fragwürdigen Erfahrungsberichten – verbreitet werden. Kriminelle Panscher haben keine Skrupel, ihre Produkte sogar mit mehreren in ihrer Zusammenstellung unsinnigen und für Anwender gefährlichen Bestandteilen zu panschen. Die Gesundheit der Käufer ist ihnen egal.

Wir hoffen, dass sich die Erkenntnis doch noch durchsetzt, dass es keine Wundermittel gibt, die auf natürliche Weise rasch und ohne unerwünschte Wirkungen helfen oder gar heilen. Dann hätten skrupellose Geschäftemacher, die den weitgehend unkontrollierten weltweiten Handel per Internet ausnutzen, keine Chance mehr.

In den zwei Monaten seit der letzten Ausgabe von GPSP haben wir 23 weitere illegale Produkte aufgespürt. Im Internet www.gutepillen-schlechtepillen.de/heft-archiv/gepanschtes/ finden Sie jetzt Näheres zu fast 1.800 illegalen Nahrungsergänzungsmitteln. Damit haben Sie Zugriff auf die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Datenbank zu gepanschten Produkten. Doch auch das ist leider nur die Spitze des Eisbergs, weil eine systematische Überprüfung von Nahrungsergänzungsmitteln nicht stattfindet.

 

Mit chemischen Potenzmitteln gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • Black Gorilla Tabletten: Sildenafil
  • Dragon Power (Yong Gang Tabletten): Sildenafil
  • Love Zen 3000: Tadalafil
  • Macho Man 3000: Tadalafil
  • Man of Steel 2: Sildenafil
  • Monster X 1350: Tadalafil
  • Own the Knight 1750: Tadalafil + Dapoxetin
  • Royal Master 1500: Tadalafil
  • Super Panther 7K: Sildenafil + Tadalafil oder Yohimbin
  • Triple Miracle Zen Plus 1200 mg: Sildenafil + Tadalafil
  • Triple Premium Zen Gold 1300: Sildenafil + Tadalafil + Dapoxetin
  • Triple X 2000: Tadalafil + Dapoxetin
  • Venergy 100 mg Kapseln: Sildenafil
  • XXX Zone Platinum: Sildenafil + Tadalafil + Dapoxetin

Sildenafil ist der Wirkstoff des Arzneimittels Viagra® (auch in zahlreichen Generika erhältlich) und Tadalafil der Wirkstoff von Cialis®. Die Panscherei von Nahrungsergänzungsmitteln mit diesen verschreibungspflichtigen Arzneiwirkstoffen gegen Erektionsstörungen ist besonders heimtückisch und kriminell. Sie gefährdet Verbraucher ganz erheblich, denn manche Menschen dürfen gerade solche chemischen Erektionsförderer nicht einnehmen, beispielsweise Herzkranke, die gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris benötigen (GPSP 2/2013, S. 4 www.gutepillen-schlechtepillen.de/angina-pectoris). In Kombination mit einem chemischen Impotenzmittel wie Sildenafil oder Tadalafil kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen. Vor allem wer aus medizinischen Gründen chemische Erektionsförderer meiden muss, erhofft sich jedoch möglicherweise Hilfe von den als harmlos beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln und gefährdet sich unwissentlich, wenn er an ein gepanschtes Produkt gerät.

Yohimbin ist ein in der Rinde des Yohimbin-Baumes („Potenzholz“) natürlich vorkommender verschreibungspflichtiger Wirkstoff, der vor allem in vergangenen Jahrzehnten als libidosteigerndes Mittel (Aphrodisiakum) verwendet worden ist, ohne dass der tatsächliche Nutzen gesichert ist. Häufige, zum Teil beträchtliche unerwünschte Wirkungen sind für Yohimbin dokumentiert, darunter Blutdruckabfall – weswegen es vor dem Ersten Weltkrieg ein gängiges Bluthochdruckmittel war –, Angst, Reizbarkeit, Schwindel, Tremor, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit u.a.

Dapoxetin: Das ebenfalls verschreibungspflichtige Dapoxetin ist ein Wirkstoff aus der Reihe der Antidepressiva, der als Arzneimittel (Priligy®) gegen vorzeitigen Samenerguss angeboten wird. Dapoxetin kann häufig Kopfschmerzen, Übelkeit und andere unangenehme Störwirkungen auslösen. Menschen mit Herzerkrankungen oder Kreislaufstörungen beim Aufstehen dürfen es nicht verwenden. Auch wer Antidepressiva einnimmt, die dem Dapoexetin chemisch nahe stehen, muss damit rechnen, dass sich die unerwünschten Wirkungen verstärken (GPSP 4/2009, Seite 6; https://gutepillen-schlechtepillen.de/mittel-gegen-vorzeitigen-samenerguss-nebenwirkung-vermarktet/). Sich vor solchen gefährlichen Effekten zu schützen, ist jedoch nicht möglich, wenn Wirkstoffe wie Sildenafil und Dapoxetin als Inhaltsstoffe nicht deklariert sind.

Mit chemischen Appetithemmer gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • 7-Days Herbal Slim-Extra Kapseln: Sibutramin
  • Ametis Kapseln: Sibutramin
  • Lose Weight Kapseln: Sibutramin + Diclofenac
  • Slimming Kapseln – Reduce Fat: Sibutramin + Phenolphthalein
  • Slim-Vie Slimming Kapseln: Sibutramin + Phenolphthalein + Sildenafil

Sibutramin: Sibutramin war 1999 bis 2010 als verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Reductil®) im Handel. Dann musste es – längst überfällig – weltweit wegen seines Herz-Kreislauf-schädigenden Potenzials aus dem Handel gezogen werden (GPSP 2/2010, Seite 8https://gutepillen-schlechtepillen.de/kurz-und-knapp-endlich-sibutramin-reductil-vom-markt). Sibutramim kann den Blutdruck und die Herzschlagrate erhöhen und gefährdet vor allem Menschen mit koronarer Herzkrankheit (Angina pectoris), Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall in der Vorgeschichte. Es drohen Herzinfarkt, Herzstillstand, Schlaganfall u.a. Auch wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente eingenommen werden, sind lebensbedrohliche Folgen möglich.

Phenolphthalein: Die abführende Chemikalie Phenolphthalein wurde vor Jahren z.B. als Darmol® Abführschokolade verkauft. Das Abführmittel kann einen vorübergehenden Gewichtsverlust vorgaukeln, weil der Darm entleert wird. Es macht aber nicht schlank, sondern vielleicht sogar krank: Arzneimittel mit Phenolphthalein sind nämlich bereits vor vielen Jahren wegen ihres krebsauslösenden Potenzials vom Markt verschwunden. Wer langfristig ein Phenolphthaleinhaltiges Mittel einnimmt, riskiert Magen-Darm-Störungen, Herzrhythmusstörungen, Krebs und andere unerwünschte Folgen.

Diclofenac: Der als Schmerz- und Rheumamittel verwendete Entzündungshemmer Diclofenac (Voltaren® u.a.) hat in einem Produkt, das helfen soll abzunehmen nichts zu suchen. Diclofenac ist für diesen Zweck wirkungslos, kann jedoch beträchtliche unerwünschte Wirkungen auslösen. Das Schmerzmittel wird im Magen-Darm-Trakt oft schlecht vertragen und kann beispielsweise schwere Magen-Darm-Schädigungen auslösen, wie Blutungen und Geschwüre.

Sildenafil: Ein Potenzmittel in einem Produkt, das helfen soll abzunehmen, ist eine besonders unsinnige und besonders gefährliche Panscherei. Näheres zu den Risiken siehe oben unter Potenzmittel/Sildenafil.

Mit chemischen Kortisonabkömmlingen gepanscht

Produkt: gepanscht mit

PHQ 1001 Khasiat Penawar Herba Qaseh Serata Herb: Dexamethason + Griseofulvin + Paracetamol + Piroxicam

Tonik Tuan Haji 1921: Dexamethason

Dexamethason ist ein stark wirkendes Kortikoid, das wegen seiner unerwünschten Wirkungen nur unter strikter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden darf.

Piroxicam: Dieser als Rheuma- und Schmerzmittel verwendete verschreibungspflichtige Entzündungshemmer kann beispielsweise beträchtliche Magen-Darm-Probleme verursachen. Als Arzneimittel sind Kombinationen von einem Kortikoid wie Dexamethason und einem schmerzlindernden Entzündungshemmer wie Piroxicam in Deutschland wegen der in Kombination besonders starken Magen-Darm schädigenden Effekte verboten.

Dexamethason + Griseofulvin + Piroxicam + Paracetamol: Das als „traditionelles Kräutermittel“ bezeichnete PHQ 1001 Khasiat Penawar Herba Qaseh Serata Herb ist aufgefallen, weil eine Frau schwere Kortikoid-bedingte Schäden nach Einnahme des gegen Schmerzen, Impotenz, Nierenschädigung und Schlaganfall propagierten angeblich natürlichen Mittels erlitten hat. Ein angeblich natürliches Nahrungsergänzungsmittel, das undeklariert das starke Kortikoid Dexamethason, das Nagelpilzmittel Griseofulvin, das Rheuma- und Schmerzmittel Piroxicam sowie den Schmerz- und Fiebersenker Paracetamol enthält, ist eine besonders unsinnige, für Verbraucher riskante und somit kriminelle Panscherei.

Mit chemischen Anabolika bzw. Anabolika-ähnlichen Substanzen gepanscht

Produkt: gepanscht mit

  • M1 Alpha: Anabolika-Abkömmling
  • Sten Z: Anabolika-Abkömmling

Anabolika und Anabolika-ähnliche Wirkstoffe können akute Leberschäden verursachen. Langfristiger Gebrauch kann schwere unerwünschte Wirkungen bei Männern, Frauen oder Kindern auslösen, einschließlich Schrumpfung der Hoden, Unfruchtbarkeit und Brustwachstum beim Mann, Vermännlichung bei Frauen und verringertes Größenwachstum bei Kindern. Die unerwünschten Wirkungen schließen zudem unter anderem einen ungünstigen Einfluss auf die Blutfettwerte sowie ein erhöhtes Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und Tod ein.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2017 / S.27