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© Marianne Mayer/ fotolia.com

Fehlerhafter Adrenalin-Injektor

Anapen®-Anbieter wälzt Kosten auf Anwender ab

Produktionsfehler kommen vor. Bei Notfallmedikamenten, wie jetzt beim Adrenalin-Autoinjektor Anapen®, können sie dramatische Folgen haben. Wenn der Anbieter Kosten des notwendigen Austausches auf Anwender und Krankenkassen abwälzt, halten wir das für unerträglich.

Die Firma Lincoln Medical Ltd. (Großbritannien) hat europaweit den Adrenalin-Autoinjektor Anapen® zurückgerufen. Hierzulande wird dieser von der Hamburger Firma Dr. Beckmann vertrieben. Adrenalin-Autoinjektoren sind Notfallarzneimittel für Menschen, die beispielsweise auf Bienen- oder Wespenstiche stark allergisch reagieren, etwa mit Schwellungen der Lippen und der Zunge bei gleichzeitig zunehmender Atemnot. Wer gefährdet ist, soll einen Autoinjektor zur Erste- Hilfe-Behandlung immer dabei haben. So können Sie sich unverzüglich und unkompliziert Adrenalin in die Außenseite des Oberschenkels spritzen, wenn Sie nach einem Stich erste Symptome einer solchen anaphylaktischen Unverträglichkeit bemerken. Adrenalin hilft dann sofort. Es bleibt genügend Zeit, um zur weiteren Behandlung einen Arzt zu erreichen.

Der Anapen®-Autoinjektor wurde jetzt zurückgerufen, weil der britische Hersteller festgestellt hat, dass das Gerät Adrenalin möglicherweise nicht korrekt abgibt – eine schreckliche Vorstellung gerade in Notfallsituationen, in der man auf die zuverlässige Wirkung eines Arzneimittels vertraut. Es soll allerdings bislang keine Berichte über Versagen des Injektors geben. Der deutsche Anbieter hat binnen zehn Tagen gleich zwei nahezu gleichlautende „Rote-Hand- Briefe“ an Ärzte und Apotheken versendet, um auf die Produktionsprobleme und die Marktrücknahme des Injektors hinzuweisen.1 Rote-Hand-Briefe sind Schreiben der pharmazeutischen Industrie mit dringenden Warnmeldungen. Das zweite Schreiben enthielt als zusätzliche Information, dass die Anwender den problematischen Injektor für den Fall der Fälle noch so lange mit sich führen sollen, bis sie tatsächlich Ersatz haben.

Der Haken bei der Sache: Bis zuverlässige Anapen®-Injektoren geliefert werden können, dauert es möglicherweise bis Ende Juli 2012 oder länger. Apotheken erhielten eine Gutschrift für unsichere Geräte, die sie am Lager hatten – nicht aber die Anwender selbst, die einen solchen Injektor schon gekauft hatten. Stattdessen sollen sie sich von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin einen anderen Injektor verordnen lassen. Infrage kommen Fastjekt® von Meda Pharma oder Jext® von ALK-Abelló. Diesen muss dann die Krankenkasse oder gegebenenfalls der Patient selbst bezahlen: ganz – also immerhin 96,74 Euro – oder zum Teil (Zuzahlung). Die Kosten, die der Firma Dr. Beckmann durch die Marktrücknahme von Anapen®-Chargen entstehen, wälzt sie ungeniert auf die Versichertengemeinschaft beziehungsweise direkt auf die Patienten ab.2

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2012 / S.14