Erkältet oder Nebenwirkung?
Wenn Medikamente auf die Stimme schlagen
Heiserkeit und eine raue Stimme sind oft Anzeichen einer „Erkältung“. Allerdings gibt es auch Medikamente, die die Stimmbänder angreifen und ähnliche Symptome auslösen können.1
Es kratzt im Hals, es schmerzt beim Schlucken, und man bekommt keinen Ton heraus: Gerade in der kalten Jahreszeit spricht dann vieles dafür, dass man sich eine Erkältung eingefangen hat. Probleme wie eine raue Stimme und Heiserkeit können jedoch nicht nur durch Infektionen, eine übermäßige Beanspruchung oder Zigarettenrauch entstehen, sondern auch durch ernsthafte Erkrankungen. Dazu gehören etwa Tumore im Bereich der Stimmbänder oder neurologische Erkrankungen wie die Parkinsonkrankheit.
Von „häufig“ bis „selten“
Oft wird nicht beachtet, dass manchmal Medikamente die Funktion der Stimmbänder beeinträchtigen. Dafür können verschiedene Mechanismen verantwortlich sein. Einige dieser Nebenwirkungen treten relativ häufig auf, andere dagegen sind eher selten (Beispiele siehe Tabelle).
Aufgepasst beim Inhalieren
Arzneistoffe, bei denen Heiserkeit schnell auftreten kann, sind Cortisonpräparate zum Inhalieren, die vor allem Menschen mit Asthma benutzen. Die Mittel hemmen die Entzündung in den Bronchien und lindern damit die Atembeschwerden. Allerdings kann es passieren, dass sich – besonders bei einer schlechten Inhalationstechnik – kleine Wirkstoffteilchen an der Schleimhaut von Mund und Rachen und eben auch im Bereich der Stimmbänder ablagern. Weil das Medikament die körpereigene Immunabwehr unterdrückt, können sich auf den Stimmbändern leichter Candida-Hefen ansiedeln: Es entsteht „Mundsoor“. Durch diese Infektion und nachfolgende Entzündungsprozesse kann Heiserkeit auftreten.
Probleme vermeiden
Um solche Beschwerden zu vermeiden, kann es helfen, nach der Inhalation den Mund gründlich auszuspülen. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie sich in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke noch einmal die richtige Inhalationstechnik zeigen. Bleiben die Probleme, können spezielle Hilfsmittel („Spacer“) das Inhalieren erleichtern.
Trockene Schleimhäute
Andere Medikamente verringern dagegen die Feuchtigkeit von Schleimhäuten und können so zu Stimmproblemen führen. Bekannt ist das für Anticholinergika zum Inhalieren, etwa Tiotropiumbromid, das COPD-Kranken verordnet wird. In Einzelfällen kann das Problem auch bei Solifenacin auftreten, einem Mittel gegen dranghafte Blasenschwäche. Die Nebenwirkung entsteht, weil diese Arzneimittel Bereiche des Nervensystems hemmen, die für die Produktion von Sekreten, etwa Speichel oder andere Flüssigkeiten zuständig sind. Wer solche Arzneimittel anwendet, sollte deshalb ausreichend trinken. Auch Entwässerungsmittel, vor allem solche mit Spironolacton, können die Austrocknung der Schleimhäute fördern.
Einfluss der Hormone
Stimmveränderungen sind auch als Nebenwirkungen einiger Medikamente bekannt, die in den Hormonhaushalt eingreifen. Dadurch kann vor allem die Stimmlage höher oder tiefer klingen. Solche unerwünschten Wirkungen treten beispielsweise bei hohen Dosierungen des Sexualhormons Testosteron oder bei dem Entwässerungsmittel Spironolacton auf.
Bei Krebstherapie
Einige Krebsmittel, die Ärzte vornehmlich bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen einsetzen, können ebenfalls zu Stimmstörungen führen. Die Arzneistoffe Aflibercept, Axitinib oder Regorafenib unterdrücken die Neubildung von Blutgefäßen und vermindern so die Nährstoffversorgung von bestimmten Tumoren. Dieser Effekt kann auch die Blutgefäße in den Schleimhäuten betreffen. Manchmal entstehen dadurch Entzündungen oder Wassereinlagerungen und beeinträchtigen die Beweglichkeit der Stimmbänder.
Was tun?
Die meisten Veränderungen verschwinden relativ schnell wieder, wenn das betreffende Arzneimittel abgesetzt wird. Allerdings ist ein Verzicht auf solche Mittel nicht immer möglich und es kann im Einzelfall auch mehrere Wochen oder länger dauern, bis die Stimme wieder normal klingt.
Wer in einem Sprechberuf arbeitet, also etwa als Schauspieler, Sängerin oder Lehrer, oder beruflich häufig Vorträge hält, sollte sich bei neuen Medikamenten darüber informieren, ob sie möglicherweise die Stimmbänder beeinträchtigen und ob es Abhilfe gibt. Manchmal ist es möglich, auf ein anderes Medikament auszuweichen. Bei solchen Entscheidungen hilft das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin und ein Blick in den Beipackzettel.
Stand: 1. November 2018 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2018 / S.22