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Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers

Eine kurze Geschichte auf 672 Druckseiten? Klingt irgendwie widersprüchlich. Doch die Lektüre dieses Sachbuchs lohnt sich.

„Der Körper: Ein Wegweiser für seine Bewohner“ heißt übersetzt der englische Originaltitel des Buchs. Und einen solchen hat Autor Bill Bryson auch tatsächlich geschrieben:

Eine kurze Geschichte des menschlichen Koerpers von Bill Bryson
© Goldmann-Verlag
Bill Bryson (2020) Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. München: Goldmann, 672 Seiten, gebunden 24 €, Taschenbuch 16 €

In 23 Kapiteln reisen Leserinnen und Leser durch den menschlichen Körper. Dabei stellt Bryson den Körper, diesen komplizierten „warmen Fleischklumpen“, als „Wunder des Lebendigen“ dar. Das Buch startet mit der chemischen Zutatenliste samt Kostenkalkulation: Der fiktive Einkaufspreis eines Menschenkörpers mit allem Drum und Dran läge bei ungefähr 112.000 Euro. Nicht schlecht, oder?

Weiter geht’s zu Kopf, Herz, Wirbelsäule, Nerven. Die Lunge wäre entfaltet so groß wie ein Tennisplatz, alle Blutgefäße aneinandergereiht könnte jede:r von uns zweimal um den Erdball wickeln.

Und der Körper erlebt vieles, sei es zum Beispiel durch Ernährung, Sexualität oder Schlaf bis hin zu Situationen „Wenn etwas völlig schief geht“, ihn also schwere Krankheiten wie Krebs plagen. Gespickt wird das Ganze mit historischen Ereignissen, berühmten und verkannten Genies – und mit Fakten aus Forschung und (Gesundheits-)Politik.

Dabei kreiert Bryson keine spröden Bleiwüsten, sondern schreibt locker-spannend und an vielen Textstellen mit einem Augenzwinkern. Wie in all seinen bisherigen Bestsellern hat er auch hier sauber recherchiert und verblüfft Interessierte immer wieder aufs Neue.

Ein kleiner Wermutstropfen sei hier erwähnt: Das Buch fokussiert vorwiegend die angloamerikanischen Lebenswelten, sei es mit Biografien, Statistiken, Alltagsbeispielen und mehr. Das ist aber nachvollziehbar, denn schließlich ist Bryson in den USA geboren und lebt seit Langem in England.

Im Kapitel 22 „Gute Medizin, schlechte Medizin“ werden GPSP-Fans Bekanntes wiederentdecken: So beschreibt Bryson zum Beispiel, dass die Krebsfrüherkennung, etwa das Screening auf Brust- oder Prostata-Krebs nicht nur einen eher kleinen Nutzen, sondern auch Nachteile haben kann, etwa Überdiagnosen und Überbehandlungen. Das abzuwägen, überfordere viele Patient:innen.

Und auch die ­Pharmaindus­trie bekommt ihr Fett weg. So berichtet Bryson über ihre vielfältigen finanziellen Ver­flechtungen mit Ärzt­innen und Ärzten, um das Verschreiben von Medikamenten zu fördern. Das lässt die Einkünfte der Konzerne sprudeln, kann aber auch dazu führen, dass Patient:innen möglicherweise eine unnötige Therapie erhalten.

Abgerundet wird dieses Buch durch detailreiche Quellen- und Literaturangaben, einem Namen- und einem umfassenden Sachregister sowie ein paar Fotoseiten mit historischen Untersuchungsmethoden, Persönlichkeiten und Pionier:innen – zum Beispiel Nettie Stevens. Sie studierte 1904 die Fortpflanzungsorgane des Mehlwurms und entdeckte dabei das Y-Chromosom.

Inzwischen ist das Werk nicht nur als Hardcover, sondern auch als Taschenbuch sowie als E-Book und Hörbuch erhältlich.

 

Tücken des Screenings

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2022 / S.21