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Darf man über Depressionen lachen?

Die an dieser Anthologie beteiligten Künstlerinnen und Künstler liefern jedenfalls gute Gründe, es zu tun.

Torsten Sträter u.a. (2022) Vom Buffet der guten Laune nehm ich die sauren Gurken. Oldenburg/Hamburg: Lappan Verlag, 128 Seiten, gebunden 18 €

„Lachen ist die beste Medizin“: Die etwas abgedroschene Phrase kommt beim Aufschlagen des Buchs „Vom Buffet der guten Laune nehm ich die sauren Gurken: Komische Kunst über Depressionen“ manchen vielleicht als Erstes in den Sinn. Doch damit wird man dem Satireband, in dem 30 Künstler:innen aus der Comedy-Szene ihre persönlichen Erfahrungen mit Depressionen schildern, nicht gerecht.

Schlaumeiersprüche wie „Du musst einfach mehr vor die Tür!“ bekommen depressive Menschen oft zu hören. Der Komiker Torsten Sträter gibt in seinem Beitrag darauf eine schlagfertige Antwort: „Das ist jetzt vielleicht ‘n bisschen hart, aber ich muss nicht einfach mehr vor die Tür, ich muss gedanklich einfach weniger vor den Zug.“

Dass es Anderen mitunter schwerfällt, sich in depressive Menschen hineinzuversetzen, mag daran liegen, dass die Krankheit nach außen hin in der Regel unsichtbar ist und in der Leistungsgesellschaft nach wie vor tabuisiert wird, worauf unter anderem Schlecky Silberstein in seinem Text eingeht. Wegen seiner Depressionen ließ sich der Satiriker in zwei psychiatrischen Kliniken behandeln. „Wer unter fortgeschrittenen Depressionen leidet, verliert seine Funktionsfähigkeit und damit auch seine Funktion. Alle anderen funktionieren noch“, reflektiert er diese Zeit. „Das müssen sie auch, denn wer im Kapitalismus nicht funktioniert, wird schon in kürzester Zeit aussortiert.“ Nur in der Klinik habe er diesem Hamsterrad entkommen können.

Doch auch in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft ändert sich langsam etwas am Umgang mit Depressionen. Seit ein paar Jahren sprechen immer mehr Betroffene ihre Krankheit offen oder sogar öffentlich an.

Auch das Buch will einen Beitrag dazu leisten, Depressive bei der Heilung unterstützen und mehr Verständnis für ihre Krankheit bei Außenstehenden wecken. Offenbar ein ernst gemeintes Ziel: Die Honorare der beteiligten Künstler:innen fließen an Gruppen, die Betroffenen helfen. Der Lappan-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, hat die Summe eigenen Angaben zufolge verdoppelt.

Allein deshalb lohnt sich ein Kauf dieser Lektüre, zumal die beteiligten Künstler:innen ein realistisches Bild von der Krankheit zeichnen. Weder sollten Depressionen romantisiert werden noch lassen sie sich – was langjährige GPSP-Leser:innen vermutlich schon geahnt haben – mit dubiosen Heilsrezepten kurieren.

Vorurteile, mit denen depressive Menschen konfrontiert werden, sind ein wiederkehrendes Thema der oft nur wenige Seiten langen Texte und zahlreichen Cartoons. Daneben schildern die Betroffenen aber auch eindrücklich die individuellen Ausprägungen ihrer Krankheit und Wege, mit diesen umzugehen. Teilweise geraten die Berichte, wie im Falle der YouTuberin Kathrin Fricke alias Coldmirror dabei recht bedrückend, weshalb es gut ist, dass das Buch sowohl mit einer Triggerwarnung als auch mit einer Liste von Hilfsangeboten für depressiv Erkrankte versehen ist.

Wer mehr über die Ursachen von Depressionen lernen möchte, wird möglicherweise enttäuscht sein. Zu hoffen bleibt aber, dass das Buch Betroffenen wie auch ihren Partner:innen, Angehörigen, Freunden und Kolleg:innen tatsächlich hilft, offener und reflektierter mit der Krankheit umzugehen – und gemeinsam zu lernen, wann ein witziger Satz womöglich dabei helfen kann, ein wenig aus der Dunkelheit wieder herauszufinden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2023 / S.25