Chelattherapie und Zahnfüllungen, Quecksilber
Amalgam, die unendliche Geschichte
Zahnfüllungen aus Amalgam – Seit Jahrzehnten wird heftig über mögliche Risiken gestritten. Amalgamfüllungen werden für viele Beschwerden verantwortlich gemacht. Doch wenig ist wirklich wissenschaftlich belegt.
Amalgam ist ein Zahnfüllmaterial, das sich leicht verarbeiten lässt, abriebfest und relativ preiswert ist. Die Legierung besteht aus Quecksilber, Silber, Zinn und Kupfer. Das Quecksilber trägt wesentlich zu den positiven Eigenschaften der Zahnfüllung bei, gilt aber gleichzeitig als Problemstoff. Es gelangt auf zwei Wegen aus den Zahnfüllungen in den Körper: Geringe Mengen verdampfen und werden über die Lunge aufgenommen. Ein anderer Teil löst sich im Speichel, es entstehen Quecksilberionen. Diese gelangen über den Magen-Darm-Trakt in den Körper. Die Aufnahme des Quecksilbers lässt sich durch die Ausscheidung des Schwermetalls im Urin nachweisen. Diese ist höher als bei Personen ohne Amalgamfüllungen.
Von 100 Personen, bei denen Allergietests durchgeführt werden, reagieren durchschnittlich 1 bis 4 überempfindlich auf das Quecksilber der Amalgamfüllungen. Typische Reaktionen sind Rötungen der Mundschleimhaut und Zahnfleischentzündungen. Andere Überempfindlichkeitssymptome, wie etwa Hautveränderungen, sind sehr selten.1
Da Amalgam für viele unterschiedliche und oft diffuse Beschwerden verantwortlich gemacht wird, hat ein US-amerikanisches Gremium über 300 Studien daraufhin ausgewertet, welche gesundheitlichen Folgen wirklich bewiesen sind.2 Das Fazit ist unbefriedigend: Die bisher vorliegenden Daten für Amalgam als Zahnfüllungsmaterial reichen nicht aus, um langfristige Gesundheitsschäden zu belegen oder auszuschließen.
Eindeutige Quecksilbervergiftungen sind aus der Industrie oder von Unfällen bekannt, allerdings gelangten dabei wesentlich größere Mengen Quecksilber in den Körper als dies bei Amalgamfüllungen der Fall ist.
Wirkung auf Kinder
Da sich der Organismus von Kindern noch in der Entwicklung befindet, können Giftstoffe für sie eine besondere Belastung sein. In zwei Studien in Portugal und Nordamerika wurde mehrere Jahre lang verfolgt, ob sich Amalgamfüllungen auf die kindliche Entwicklung auswirken.3 Insgesamt waren über 1000 Kinder beteiligt. Die Tests prüften auf intellektuelle Fähigkeiten. In einer Studie wurde zusätzlich die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen, um Hinweise zu erhalten, ob Quecksilber möglicherweise die Nerven schädigt.
Bei Kindern mit Amalgamfüllungen fand sich mehr Quecksilber im Urin als bei denen, die so genannte Komposit-Füllungen aus Kunststoff und Keramik trugen. Unterschiede in der geistigen Entwicklung oder Hinweise auf Nervenschädigungen ließen sich aber nicht erkennen.
Diskussion noch nicht beendet
Einerseits sind diese Erkenntnisse beruhigend, andererseits ist die Aussagefähigkeit der Studien begrenzt.4 Eine Beobachtungszeit von sieben Jahren ist zu kurz, um Langzeitschäden zu erfassen. Auch reicht die Zahl der beobachteten Kinder nicht aus, um selten auftretende Schädigungen zu erkennen. Da Amalgamfüllungen millionenfach verwendet werden, könnten auch sehr seltene Folgeschäden von großer gesundheitlicher Bedeutung sein.
Was tun?
Amalgam oder nicht – diese Entscheidung ist nicht leicht zu treffen. Es gibt verschiedene Alternativen, z.B. Inlays oder Teilkronen aus Gold oder aus farblich unauffälliger Keramik. Diese müssen im zahnmedizinischen Labor gefertigt werden, sind gut haltbar, aber erheblich teurer als Amalgam. Immer häufiger werden Kompositkunststoffe verwendet, die der Zahnarzt wie Amalgam direkt in den Zahn einarbeiten kann. Das ist zeitaufwändiger und etwas teurer. Kompositkunststoffe sind farblich unauffällig – ein kosmetischer Vorteil. Wenn aber die Füllung entfernt werden muss, ist mit höherem Verlust an Zahnsubstanz zu rechnen, da sich das Füllungsmaterial schlecht von der Zahnsubstanz unterscheiden lässt.5 Kunststofffüllungen können ebenfalls allergische Reaktionen hervorrufen.
Vorhandene Amalgamfüllungen müssen in der Regel nicht entfernt werden, solange sie noch in Ordnung sind. Beim Ausbohren wird anfangs zusätzlich Quecksilber freigesetzt. Die im Urin messbare zunächst höhere Quecksilberkonzentration verringert sich allerdings danach rasch. Eine so genannte Chelattherapie, mit der Quecksilber aus dem Körper entfernt werden soll, ist nicht zu empfehlen. Die dabei verwendeten Medikamente sind nicht für die Anwendung bei Quecksilberbelastung zugelassen, die durch Amalgam verursacht ist. Mögliche Nebenwirkungen der Medikamente sind beispielsweise allergische Reaktionen, Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit oder Zinkmangel.
Fazit
Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass Amalgam-Füllungen langfristig Gesundheitsschäden verursachen. Einige Menschen reagieren allerdings allergisch auf das in der Legierung enthaltene Quecksilber. Wer eine bekannte Überempfindlichkeit gegen Metalle hat, sollte auf Amalgam verzichten. Die Alternativen von Gold bis Kompositkunststoffen haben Vor- und Nachteile (z.B. Kosten), die es abzuwägen gilt. Eine Empfehlung, Amalgamfüllungen routinemäßig zu entfernen, kann auf der vorhandenen Datenbasis nicht ausgesprochen werden.
Stand: 1. Juni 2007 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2007 / S.03