Behandlungsfehler
Wie wird Ihnen geholfen?
Keiner wünscht sich das: Die Behandlung geht schief, und Sie sind hinterher eher kränker als vorher. Aber auch Ärzten passieren Fehler. Einige Tipps, was Sie im Fall des Falles tun können.
Aus juristischer Sicht handelt es sich dann um einen Behandlungsfehler, wenn Arzt, Ärztin oder andere Mitarbeitende bei der Behandlung gegen allgemein anerkannte medizinische Standards verstoßen haben und daraus ein Schaden entstanden ist.1 Auch Fehler in Organisationsabläufen gehören dazu, beispielsweise Personenverwechslung: Wenn Sie eine Blutkonserve bekommen haben, die für einen anderen Patienten vorgesehen war.
Nicht jedes unerwünschte Ereignis ist zwangsläufig ein Behandlungsfehler. So können auch bei regelgerechter Behandlung Nebenwirkungen auftreten oder die Krankheit kann trotz bester Therapie fortschreiten. Auch fachgerecht durchgeführte Operationen bergen Risiken. Es kann zu Infektionen oder Störungen im Heilungsverlauf kommen, Medikamente können unerwünschte Effekte zeigen und Antibiotika wirkungslos bleiben, weil der Erreger resistent ist. Die zentrale Frage, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, lautet demnach: Hätten es die Fachleute im Moment der Behandlung besser wissen und anders handeln müssen?
Warum Gutachter?
Für einen Betroffenen sieht die Sache oft eindeutig aus. Er ist überzeugt, dass die Behandlung fehlerhaft war. Wollen Sie dagegen vorgehen, ist es wichtig, dass vermutete Fehler von Fachleuten begutachtet werden. Sie finden diese Gutachter bei den Krankenkassen und den Ärztekammern.
Dort wird geprüft, ob der Arzt oder die Ärztin alles richtig gemacht hat, als eine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Handlung zu treffen war.
Wenn es trotz einer sachlich korrekten Entscheidung zu Komplikationen gekommen ist, liegt kein Behandlungsfehler vor, sondern ein schicksalhafter, nicht abwendbarer Verlauf. Die Gutachterkommissionen der deutschen Krankenkassen kommen bei zwei Dritteln der geprüften Fälle zu dem Ergebnis, dass kein Behandlungsfehler vorliegt.1
Wer berät?
Haben Sie nach einer Operation oder infolge einer Arzneiverordnung auffällige Gesundheitsprobleme, sollten Sie zunächst das Gespräch mit den behandelnden Ärzten suchen, im Krankenhaus insbesondere mit dem Oberarzt oder Chefarzt.
Und wenn sich die Probleme durch das Gespräch nicht klären lassen? Dann beantragen Sie Einsicht in Ihre Krankenakte. Sie können Kopien anfordern, müssen die Kosten hierfür aber aus eigener Tasche zahlen. Achten Sie darauf, dass Sie Röntgenbilder und andere Bilder als elektronische Datei erhalten, denn sie sind als Bildkopie sehr teuer. Oder Sie können die Unterlagen ausleihen. Ihre Akte sollte vollständig sein, was etwa an einer durchgehenden Nummerierung der Seiten erkennbar sein kann. Schreiben Sie sich Dinge auf, die Ihnen beim Lesen auffallen.
Bevor Sie sich an Krankenkasse oder Ärztekammer wenden oder rechtliche Schritte erwägen, sollten Sie sich beraten lassen. Damit Sie ein aussagekräftiges und rechtlich verwertbares Gutachten erhalten, sollte Ihr Anliegen so gezielt und eindeutig wie möglich formuliert sein. Professionelle und unabhängige Beratungsstellen helfen dabei (siehe rechte Seite).
Bei Ihrer Krankenkasse erfahren Sie, wie Sie die zuständige Gutachterstelle des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kontaktieren können. Alternativ können Sie bei der Ärztekammer Ihres Bundeslandes2 eine Überprüfung durch Gutachter beantragen. Ihre Krankenkasse ist verpflichtet, sie kostenlos zu unterstützen,3 hat aber auch ein eigenes Interesse an der Klärung. Lässt sich ein Behandlungsfehler nachweisen, wird sie sich vermutlich die Kosten einer Nachbehandlung von der Haftpflichtversicherung des Arztes zurückholen.
Mit und ohne Gericht
Spricht alles für einen Fehler seitens der Medizin, wird es vermutlich zu einem außergerichtlichen Vergleich kommen. Dieser kann über Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen ausgehandelt werden. Außergerichtliche Klärungen sind in der Regel für Sie weniger belastend und führen schneller zu einem Ergebnis als ein Gerichtsverfahren. Wer eine zivilrechtliche Klage einreicht, hat mit Kosten für den eigenen Anwalt und für das Verfahren zu rechnen.
Strafanzeige stellen?
Wer sich falsch behandelt oder gar geschädigt fühlt, ist oft verärgert – eine verständliche Reaktion. Der Impuls, nach dem Motto „jetzt zeige ich es dem Arzt aber“, eine Strafanzeige zu stellen, bringt aber niemanden weiter, auch nicht den Geschädigten. Warum?
Hier ist eine juristische Unterscheidung wichtig: Zivilrecht und Strafrecht. Der zuvor geschilderte Weg von Gutachten und eventueller Entschädigung durch die Haftpflichtversicherung ist ein zivilrechtlicher Vorgang. Hier werden direkte Haftungs- und Schadensersatzansprüche geklärt.
Im Fall des Strafrechts muss eine Person eine Straftat begangen haben, bei einer fehlerhaften medizinischen Behandlung also meist eine fahrlässige Körperverletzung, selten auch eine fahrlässige Tötung. Hier liegen die Hürden in der Bewertung wesentlich höher als bei einem Behandlungsfehler, und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Diese einzuschalten, kommt am ehesten infrage, wenn ein Behandlungsfehler vertuscht werden sollte oder wenn Krankenakten offensichtlich manipuliert wurden oder verschwunden sind.
Auf persönlicher Ebene ist eine strafrechtliche Verfolgung für alle Beteiligten meist sehr belastend. Der Arzt ist als Person angeklagt, die Verhandlung öffentlich. Das wird in der Regel eine zukünftige persönliche Verständigung nahezu unmöglich machen.
Und was bringt es dem Kläger, also dem Patienten oder seinen Angehörigen? Solange das Strafrechtsverfahren läuft – meist mehrere Jahre – ruhen alle außergerichtlichen Einigungsversuche. Als Betroffener werden Sie also umso länger auf eine zivilrechtliche Entschädigung warten müssen.
Falls der Arzt oder die Ärztin zu einer Strafe verurteilt wird, handelt es sich meist um eine Geldstrafe. Das Geld geht übrigens nicht an den Geschädigten, sondern an den Staat oder an eine gemeinnützige Einrichtung. Eine Strafanzeige bringt für Sie als Patient oder Patientin also meist keine finanziellen Vorteile, aber viel zusätzliche Aufregung.
- Köbberling J (2016) Behandlungsfehler und Arzthaftung Berlin: Verlag de Gruyter, 128 Seiten, 39,95 €
- Nordrhein-Westfalen hat zwei Ärztekammern: Nordrhein und Westfalen-Lippe
- § 66 Sozialgesetzbuch (SGB) V
- www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/821318/Datei/174993/TK-Broschuere-Behandlungsfehler.pdf
- www.kkh.de/content/dam/KKH/PDFs/Allgemein/ratgeber-bei-behandlungsfehlern.pdf
Stand: 4. November 2016 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2016 / S.12