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© primipil/iStockphotos.com

Wie von Antidepressiva wieder loskommen?

Britische Patienten-Information veröffentlicht

Dass das Absetzen von Antidepressiva große Probleme bereiten kann, blieb bislang oft unterbelichtet. In Großbritannien ist inzwischen eine Hilfestellung für Betroffene verfügbar.

„Unsere Position war falsch“ – mit dieser schlichten Bemerkung fasst Wendy Burn, die ehemalige Präsidentin des Royal College of Psychiatrists, dem wichtigsten Berufsverband der britischen Psychiater:innen, einen längeren Prozess zusammen.1 Falsch war demnach die vielfach geäußerte Behauptung, dass das Absetzen von Antidepressiva bei der überwiegenden Mehrheit der Patient:innen keine Probleme verursacht. Das war zumindest Burns subjektiver Eindruck aus ihrer eigenen Praxis. In Gesprächen mit Betroffenen und Ärzt:innen, die etwas ganz anderes erlebt hatten, mussten Burns und ihre Kolleg:innen ihre Meinung revidieren.

Umfangreiche Hinweise

In der Folge wurde die britische Leitlinie zur Behandlung mit Antidepressiva überarbeitet und auf dieser Basis Empfehlungen für Betroffene entwickelt. Seit September 2020 sind diese im Internet frei verfügbar – leider nur auf Englisch.2

Neben den bereits bekannten Hinweisen, Antidepressiva nicht auf eigene Faust abzusetzen und die Dosis schrittweise zu reduzieren, finden sich dort beispielsweise konkrete Absetzpläne für häufig verordnete Antidepressiva.

Außerdem hilfreich: Wie lassen sich Entzugssymptome von wiederkehrenden Beschwerden durch einen Rückfall oder eine neue Depressionsepisode unterscheiden? So weist die Information etwa darauf hin, dass manche Betroffene nach dem Absetzen über plötzlich einschießende Missempfindungen der Nerven berichten, ähnlich wie ein kleiner elektrischer Schlag. Solche spezifischen Beschwerden sprechen eher für Entzugssymptome als für einen Rückfall. Bei anderen Symptomen wie Konzentrationsschwäche oder Schlafstörungen ist die Unterscheidung dagegen schwieriger.

Und in Deutschland?

Die bisher in Deutschland verfügbaren Informationen sind dagegen deutlich knapper, etwa in den Patienten-Leitlinien. Derzeit werden die ärztlichen Behandlungsempfehlungen zum Thema Depression überarbeitet, anschließend auch die Patienten-Leitlinie. Bleibt abzuwarten, ob das Thema „Antidepressiva absetzen“ und die damit möglicherweise verbundenen Probleme dann mehr Raum bekommen werden.

Fehlende Forschung

Nach wie vor ist das Thema aber schlecht erforscht. Das konstatiert eine Zusammenstellung der aktuellen Erkenntnisse, die 2019 in Großbritannien veröffentlicht wurde. Darin wird die Wissenschaft aufgefordert, sich dieses Problems mehr anzunehmen.3 Ob bestimmte unterstützende Maßnahmen Menschen helfen, Antidepressiva leichter wieder loszuwerden, untersucht derzeit eine britische Studie.4 Mit ­Ergebnissen ist aber nicht vor 2022 zu rechnen.

Antidepressiva absetzen
GPSP 5/2018, S. 6

Patienten-Leitlinien
GPSP 6/2016, S. 19

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2021 / S.26