Wartezimmer-Fernsehen
Das ist in Mode: Im Wartezimmer der Arztpraxis läuft ein Fernseher, der mit buntem Mix die Wartezeit erträglicher machen soll. Informationen über die Praxis wechseln sich ab mit kurzen Naturfilmen, Musikclips und Gesundheitsthemen. Für solche Komplettpakete inklusive Technik bezahlt Ihr Arzt im Monat 100 Euro und mehr. Unterhaltung? Werbung? Information? Wir haben uns das Angebot des Marktführers www.tv-wartezimmer.de angesehen.
- Gesundheitsfilme bleiben oft nur an der Oberfläche. Werbung und Information verschwimmen, z.B. bei einem Film über die HPV-Impfung.
- Wetter-Werbung: Das „Ratiopharm Biowetter“ ist direkt mit Arzneimittelwerbung gekoppelt. Erkältungswetter? „Echinacearatiopharm® stärkt das Immunsystem bei Erkältungen“.2 Das ist Wunschdenken. Näheres auf Seite 3 in diesem Heft.
- Naturfilme können ein entspannender Zeitvertreib sein. Im Wartezimmer- TV sollen sie ein freundliches Umfeld für Werbung schaffen
- IGeL-Leistungen: Hier werden auch Behandlungen empfohlen, deren Nutzen zweifelhaft ist, z.B. Anti-Aging.
Zu guter Information gehört ein Abwägen von Vor- und Nachteilen, Nutzen, Kosten und Alternativen. Dies bietet weichgespültes Wartezimmerfernsehen jedoch normalerweise nicht. Die Themen des größten Anbieters „TV-Wartezimmer“ kreisen um Anti-Aging, Bachblüten, Botox, Eigenbluttherapie, Vitalstoffe und Darmsanierung – das sind überwiegend zweifelhafte Therapieangebote. Klare Information über solche Behandlungen wäre stattdessen dringend notwendig. Im Wartezimmer dürfte es nicht immer leicht sein zu unterscheiden, was Werbung ist und was Information. Das verdeutlicht ein Thema, in dem sich fast alle Anbieter von Wartezimmerfernsehen einig sind:1 Sie preisen in Spots IGeL-Leistungen an, also Behandlungen, die man selbst bezahlen muss. Der Nutzen solcher IGeL-Leistungen ist aber oft zweifelhaft (GPSP 1/2009 S. 12).
Auch wenn nicht alles Werbung ist und manche Darstellung sinnvoll sein mag – wir finden, Werbespots für Arzneimittel oder Behandlungen haben in einer Arztpraxis nichts zu suchen. Wenn Sie sich durch die Werbeberieselung belästigt fühlen, sagen Sie es Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Wir empfehlen Ärzten, auf diese Art von Praxis-TV zu verzichten und stattdessen unabhängige Informationen auszulegen.
Stand: 1. Oktober 2011 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2011 / S.16