Märchenstunde
Wer lebt, wird älter. Und irgendwann beginnt die körperliche Leistungsfähigkeit spürbar nachzulassen. „Spürbar mehr Lebenskraft“ verspricht die Firma Schwabe für das pflanzliche Arzneimittel Crataegutt® Novo 450.1 Die in Apotheken rezeptfrei verkauften Tabletten enthalten einen Extrakt aus Blättern und Blüten des Weißdorns (Crataegus). Als „traditionelle Heilpflanze“ soll er das Herz stärken. Mehr als 100 weitere Weißdorn-haltige Präparate sind in Deutschland im Angebot. Mit der Werbung von Crataegutt® werden gezielt ältere Menschen angesprochen. Das Bild einer lebensfrohen Großmutter mit ihrer Enkelin illustriert, was sich viele Ältere wünschen.
- Vorsorge? Gesunde brauchen keinen Weißdorn. Herzkranke brauchen wirksame Arzneimittel von ihrem Arzt.
- Rot – die Farbe des Herzens: Farbe (rot) und Symbol (Herz) sind werbewirksam aufeinander abgestimmt und signalisieren Lebensenergie.
- Rotkäppchen: Im Märchen bringt Rotkäppchen die Stärkung. Hier hält sich die Großmutter mit „ihrem kleinen Geheimnis“ selbst fit.
- Frisches Gemüse: Großmutters schicker Gemüsekorb soll wohl die Natürlichkeit des beworbenen Produkts unterstreichen.
- Sehr gut verträglich? Das suggeriert Sicherheit. Unerwünschte Wirkungen sind aber möglich.
- Es geht aufwärts: Die geschwungene, sanft ansteigende Linie symbolisiert die versprochene positive Entwicklung.
Der Nutzen von Weißdorn-Produkten ist trotz „Tradition“ bis heute nicht überzeugend belegt. Viele Untersuchungen zur Wirksamkeit haben wissenschaftliche Schwächen. Eine gut gemachte große Studie mit 2.681 Patienten mit Herzschwäche ergab für Weißdorn keine größeren Effekte als ein Placebo. Unerwünschte Wirkungen wurden berichtet: Magen-Darm- Beschwerden, Kraftlosigkeit und Hautausschlag.3 Das Weißdorn-Medikament Crataegutt® Novo 450 soll man laut Hersteller mindestens sechs Wochen, möglichst aber länger einnehmen. Das kostet pro Monat ca. 15,- € (keine Kassen-Erstattung). Wir raten bei Herzinsuffizienz von Präparaten mit Weißdorn ab.
Stand: 1. September 2013 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2013 / S.28