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© Jakob Frey-Schaaber

Wenn Schilddrüsenhormone aufs Herz schlagen

Ältere mit leichter Unterfunktion der Schilddrüse aufgepasst!

„Viel hilft viel“ – in der Medizin stimmt das fast nie. Und wenn es um Schilddrüsen­hormone und ältere Menschen geht, kann diese Faustregel möglicherweise sogar schaden. Darauf ­deuten neue Studiendaten hin.

Wer eine eindeutige Unterfunktion der Schilddrüse hat, benötigt L-Thyroxin in Tablettenform. Es ist identisch mit dem Hormon T4, das die Schilddrüse produziert. Umstritten ist jedoch, ob die Behandlung mit L-Thyroxin Patient:innen nützt, wenn sie nur eine leichte Unterfunktion der Schilddrüse (subklinische oder latente Hypothyreose) haben, die sie oft gar nicht selbst bemerken. Das gilt besonders für ältere Menschen.1

Aus dem Takt

Bei ihnen können zu hohe Dosierungen von Schilddrüsenhormonen möglicherweise Vorhofflimmern begünstigen. Bei dieser Störung des Herzrhythmus breiten sich schnelle und völlig unregelmäßige elektrische Impulse aus den Vorhöfen über das ganze Herz aus. Langfristig kann dadurch das Risiko für einen Schlaganfall, bestimmte Demenz-Formen und Herzinsuffizienz steigen.

Auf einen Zusammenhang von hohen L-Thyroxin-Dosierungen und Vorhofflimmern bei Älteren deutet eine Analyse hin, bei der Daten eines kanadischen Gesundheitsregisters ausgewertet wurden.2 Das Forschungsteam hatte sich die Daten von knapp 400.000 Patient:innen ab 66 Jahren angesehen, die Schilddrüsenhormone einnahmen. Bei etwa 30.000 von ihnen wurde Vorhofflimmern festgestellt. Die Wissenschaftler:innen verglichen, wie häufig Vorhofflimmern bei niedrigen, mittleren und hohen Dosierungen von L-Thyroxin auftrat. Sie berücksichtigten dabei unter anderem auch den Einfluss von Erkrankungen, die Vorhofflimmern begünstigen, etwa Bluthochdruck oder bestimmte Herzerkrankungen. Dabei fanden sie Hinweise, dass bei hohen Dosierungen von L-Thyroxin das Risiko für Vorhofflimmern um etwa 30 Prozent höher lag als mit einer niedrigen Dosis. Mit der mittleren Dosis waren es knapp 10 Prozent mehr. Schlaganfälle waren jedoch nicht häufiger.

Was tun?

Mangels Daten konnte die Analyse nicht berücksichtigen, wie viele der mit L-Thyroxin behandelten tatsächlich eine handfeste oder bloß eine latente Unterfunktion der Schilddrüse hatten. Die Untersuchung bestätigt aber den Grundsatz, bei beschwerdefreien älteren Menschen mit einer leichten Unterfunktion der Schilddrüse L-Thyroxin nur sehr zurückhaltend einzusetzen und wenn überhaupt, nur in möglichst niedriger Dosierung. Wie hoch sie genau sein sollte, können Ärztin oder Arzt mithilfe von Blutuntersuchungen feststellen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2022 / S.22