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Was genau macht „Follow the grant“?

Das Team hat drei Jahre gebraucht von der ersten Idee bis zur Fertigstellung der Datenbank. Was war neben Finanzierungsfragen die größte Herausforderung bei dem Projekt?

Die größte Herausforderung war die Aufarbeitung der Daten. Wir haben zum großen Teil öffentliche Daten aus Datenbanken genutzt, in denen Forschungsartikel gespeichert sind. Diese enthalten zwar die Angaben über Interessenkonflikte, aber wir haben festgestellt, dass das sehr ungeordnet ist. Wir mussten also die Daten sehr aufwendig reinigen und nachbearbeiten, um sie zu nutzen. Das betrifft auch die Zuordnung der Autoren: Ist die Forscherin „Marta Hitrova“ aus einer Studie dieselbe Person wie „Marta Hitrova“ aus einer anderen? Das ist für eine automatische Analyse ein wichtiges Problem, das nur aufwendig zu lösen ist.

In einer ersten Recherche wurden fünf Mediziner mit Ungereimtheiten konfrontiert. Wie haben die denn darauf reagiert?

Die Reaktionen waren unterschiedlich. Einer hat trotz mehrerer Nachfragen nicht geantwortet, das fand ich schade, auch weil es ein Arzt ist, der viel in den Medien präsent ist. Einer hat mir per E-Mail geantwortet, ein anderer über den Pressesprecher der Uniklinik. Mit zwei konnte ich telefonieren. Davon hat einer ­ vereinfacht gesagt ­ behauptet, da hätten nie Interessenkonflikte bestanden. Das ist ja auch ein Teil des Problems, dass viele Ärzt:innen der Meinung sind, sie könnten selbst einschätzen, ob eine Beziehung zur Industrie einen relevanten Interessenkonflikt darstellt oder nicht. Jeder unterschätzt aber die eigene Beeinflussung. Ich hatte aber auch ein schönes Gespräch mit einem der Ärzte, der dann zum Teil seine Einstellung hinterfragt und gesagt hat, dass er das künftig anders machen wolle.

Welche Rückmeldungen gab es zu der Recherche?

Die Rückmeldungen waren durchweg sehr positiv. Es gibt ja in Deutschland schon länger die Diskussion, ob es nicht eine verpflichtende und vollständige Transparenz-Datenbank geben sollte, wo die Pharmazahlungen an einzelne Ärzt:innen erfasst werden, vielleicht aber auch eine Datenbank für Forscher:innen anderer Disziplinen. Die Pharmaindustrie hat aber dieser Diskussion mit einem eigenen sogenannten Transparenzkodex den Wind aus den Segeln genommen, weil sie behaupten kann, dass es schon Transparenz gebe. Die Zahlungen an Ärztinnen und Ärzte werden aber nur genannt, wenn die Betreffenden zustimmen. Aber jetzt zeigt diese Recherche nach meiner Meinung recht eindrücklich, dass das nicht ausreicht, weil durch die Freiwilligkeit viel verborgen bleibt. In diese Richtung gingen auch viele der Reaktionen, als erneute Forderung zu verbindlichen Angaben. Die wenige Kritik ging hauptsächlich in die Richtung, dass man besonders in der Epidemie Vertrauen in das medizinische und wissenschaftliche System nicht durch eine kritische Berichterstattung zersetzen solle. Diese Ansicht teile ich nicht. Gerade durch den konstruktiven Umgang mit Kritik und Transparenz können Medizin und Wissenschaft Vertrauen aufbauen.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2021 / S.19