Schlangengift vom Heilpraktiker
Hier am Niederrhein wirbt ein Heilpraktiker ständig für seine Behandlung von diversen Gelenkerkrankungen mit dem Einsatz von Schlangengift. Gerne möchte ich von Ihnen erfahren, ob das eine Alternative ist und man diese Präparate als seriöse Medikamente bezeichnen kann. K.T.
GPSP: Schlangengiftprodukte, wie sie von Heilpraktikern und Heilpraktikerinnen verwendet werden, gehören zu unterschiedlichen Gruppen. Etwa 240 homöopathische und anthroposophische Arzneimittel auf Basis von Schlangengift sind in Deutschland erlaubt.1 Entsprechend dem Konzept der Homöopathie ist das Gift dabei so stark verdünnt, dass das Arzneimittel keine relevante Menge Gift mehr enthalten kann. Das gilt auch für die anthroposophischen Produkte. Für beide Konzepte fehlt der wissenschaftliche Nachweis einer Wirksamkeit, die über den Plazeboeffekt hinausgeht. Dass die Produkte dennoch als Arzneimittel zugelassen oder registriert sind, liegt an ihrer rechtlichen Sonderstellung – Homöopathie wird als traditionelle Heilkunde betrachtet, und daher müssen Hersteller (leider) keine Wirksamkeitsnachweise liefern.
Einige Heilpraktiker arbeiten mit Produkten der Marke Horvi. Diese wurden in den 1930er Jahren von einem deutschen Chemiker entwickelt, der die Struktur des Schlangengiftes verändert hat. In Horvi-Produkten sind die Inhaltsstoffe so stark verdünnt, dass wie in homöopathischen Produkten eigentlich kein „Wirkstoff“ mehr enthalten ist. Die Anhänger der Horvi-Therapie sehen sich aber nicht als Homöopathen, sondern vertreten eine eigene Lehrmeinung (Horvi-Enzymtherapie, Reintoxin-Behandlung). Ein Wirksamkeitsnachweis der Horvi-Therapie nach wissenschaftlich anerkannten Kriterien ist uns nicht bekannt.
Horvi-Produkte waren in Deutschland über Jahrzehnte als Arzneimittel auf dem Markt. Als im Zuge der Arzneimittelreform der Hersteller eine Nachzulassung entsprechend der neuen Gesetze hätte beantragen müssen – wozu ein Wirksamkeitsnachweis mit klinischen Studien notwendig war – wurde die Firma in Deutschland aufgelöst und 2003 in den Niederlanden neu gegründet.2
Inzwischen werden Horvi-Produkte als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, nicht mehr als Arzneimittel. Deutsche Heilpraktiker können die Ampullen legal in den Niederlanden kaufen und ihren Patienten geben, aber nur zum Trinken. Bei der laut Internet immer noch üblichen Injektion von Horvi-Produkten haftet der Heilpraktiker, da Horvi ein Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) ist und kein Medikament.
Stand: 25. August 2015 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2015 / S.24