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Moderne Quacksalberei: Abnehmen mit Gentest?

Schlank, schön und gesund – das erwarten viele Frauen und Männer von allen möglichen Diäten und Schlankmachern. Die Anbieter verdienen sich daran eine goldene Nase. Neuerdings bieten Firmen eine individuelle Diät an, angeblich persönlich zugeschnitten mit Hilfe der Analyse von Genen. Das Kölner Unternehmen CoGAP schmückt sich mit der Nähe zur Sporthochschule.

MetaCheck® heißt der seit 2010 von CoGAP1 vermarktete Gentest. Anhand einer Speichelprobe behauptet der Anbieter, vier verschiedene Stoffwechseltypen unterscheiden zu können: den Alpha-, Beta-, Gamma- oder Delta-Typ. Diese Typen sind GPSP aus der Ernährungswissenschaft nicht bekannt. Zu jedem Typ empfiehlt CoGAP eine spezielle Kost. Mal sollen die Diätwilligen vor allem Fette weglassen, mal eher auf Kohlehydrate oder Eiweiß verzichten. Zudem werden zwei Sportlertypen definiert: Bei dem einen gelinge Abnehmen eher durch Ausdauersport, bei dem anderen durch Schnelligkeitssport. Wer den Gentest macht, bekommt einen fast 30-seitigen Bericht mit genauen Handlungsanweisungen – passend zu seinem CoGAP-Ernährungstyp.

Geheimnisvolle Grundlage

Welche genetischen Merkmale die Kölner Firma testet, war bisher nicht in Erfahrung zu bringen. Die Webseite des Unternehmens listet zwar etliche wissenschaftliche Studien auf, aber die Auswahl erscheint beliebig. Beim genauen Hinsehen finden sich auch Texte, die die Forschung zu den Zusammenhängen von Genetik und Ernährung (Nutrigenomik) der letzten Jahrzehnte sehr kritisch zusammenfassen. Zum Thema „individuell zugeschnittene Ernährung“ wenden Wissenschaftler ein, es sei „schnell klargeworden, dass ein … personalisierter Diätpass auch in vielen Jahren nicht zu erwarten sein wird.“2

Auch auf Nachfrage erteilt das Unternehmen keine erläuternden Auskünfte, welche Gene CoGAP untersucht.3 Der Geschäftsführer argumentiert mit dem Schutz der Kundinnen und Kunden vor sich selbst – sie könnten durch eigene Nachforschungen im Internet irritiert werden und die Ergebnisse falsch interpretieren. Auch der Datenschutz wird bemüht: Es sei möglich, dass die analysierten Stellen im Genom Rückschlüsse auf Verwandtschaftsverhältnisse erlaubten. Merkwürdig nur, dass CoGAP genau dies auf seiner Webseite kategorisch ausschließt.4

Werbewirksam stellen die Gen- Tester ihre Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Köln heraus. Dort untersuchte man sechs Monate lang diätwillige CoGAPKunden und eine Vergleichsgruppe, die Ernährungs- und Sportberatung ohne vorherigen Gentest bekommen hatte.5 Während der CoGAP-Geschäftsführer „positive Vorergebnisse“ sieht, gibt der Leiter der Studie, Sportwissenschaftler Lukas Loewe, die unbefriedigende Vergleichbarkeit der beiden Gruppen zu. So wären die Gentestkunden meistens stärker übergewichtig gewesen als die Vergleichsprobanden. Erst recht sage die Studie nichts darüber aus, warum die mit MetaCheck® Getesteten überhaupt Gewicht verloren hätten.6

Alleine der Test kostet 204 Euro, dazu kommen Zusatzkosten wie Beratungshonorare.7 Für 48,80 Euro plus Versandkosten kann man ein individualisiertes Kochbuch passend zum Gen-Typ erwerben.8 Solche Investitionen können schon motivieren, das Programm durchzuziehen. Ebenso die Auswertung mit Ernährungs- und Sporttipps, die die Kunden nach dem Test erhalten. Dass damit noch lange kein Beleg für die Aussagekraft und den Nutzen des Gentests erbracht ist, stört die Kölner Sportwissenschaftler allerdings nicht. Die Sporthochschule bietet in ihrem Zentrum für Gesundheit den MetaCheck® verbilligt an.9

Ärzte als Vermarkter

Der berühmte weiße Kittel hilft bei der Vermarktung des Tests. Ein Gründungsmitglied von CoGAP tritt im Internet als „medizinischer Leiter“10 mit Doktortitel und berufstypischer Kleidung auf. Im Lokalfernsehen und in Zeitschriftenartikeln erscheint immer wieder der Arzt Thomas Kurscheid als Experte, der den Test selbst auf der Webseite seiner Praxis anbietet.11 Er ist übrigens derselbe Arzt, der an der Sporthochschule beide Untersuchungsgruppen betreut hat. Unabhängige Forschung sieht anders aus.

Über die Schiene der IGeLLeistungen, die der Patient selbst zahlen muss (GPSP 1/2009 S. 12), scheint sich CoGAP nun auch in gynäkologische Arztpraxen vorzupirschen. Die Kooperationspartnerin GenoGyn, eine Agentur für IGeL-Leistungen in der Gynäkologie, argumentiert, mit Hilfe von MetaCheck® ließen sich Diabetes, Herzinfarkt und Krebs als Folge von Übergewicht verhindern.12

Damit wird ein rechtlich heikles Terrain betreten: Nach Angaben des Anbieters ist MetaCheck® ein Lifestyle-Test,13 der keine Krankheitsrisiken teste.14 Denn nur so kann CoGAP rechtfertigen, dass man MetaCheck® über Fitness- Center, Naturheilkundepraxen, Apotheken und Ernährungsberaterinnen vermarktet. Zu medizinischen Gentests dürfen hingegen nur Ärzte mit einer humangenetischen Fachausbildung beraten und sie auch anwenden, besagt das Gendiagnostikgesetz.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.04