Bohnen im Kopf: Griffonia
Sehr geehrte Damen und Herren, … seitdem ich den Artikel ‚Bohnen im Kopf‘ im GPSP-Heft 5/2018 gelesen habe, unterscheiden sich meines Erachtens Ihre Inhalte nicht vom gängigen oberflächlichen Mainstream, bei dem einer vom anderen unkritisch abschreibt. Besonders der Satz „Studien zu Griffonia-Präparaten bei Depression haben wir in wissenschaftlichen Zeitschriften vergebens gesucht“ hat mich mehr als gewundert. Na, ja, ich würde eher zu 5-HTP (= 5-Hydroxy-Tryptophan, also dem Wirkstoff in Griffonia Präparaten!) suchen! Und da finden sich am 14.02.2019 zu den Stichworten‚ 5-HTP Depression‘ bei PubMed 480 Ergebnisse! … Wollen Sie wirklich weiterhin ins Horn der Industrie blasen, die patentierte Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer teuer verkaufen will, wohingegen 5-HTP als natürliche Vorstufe des Serotonin vergleichsweise preiswert ist und – richtig eingesetzt – nebenwirkungsfrei ist? R.B. (Ärztin)
GPSP: Grundlage für die Artikel in GPSP ist immer der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Deshalb gehört bei uns eine systematische Literaturrecherche zum Standard. In unserem Artikel (GPSP 5/2018, S. 12) war 5-HTP ausdrücklich erwähnt, wir haben selbstverständlich nicht nur nach Griffonia gesucht. Die von Ihnen erwähnte hohe Zahl von Treffern zu 5-HTP ist irreführend, da es in den meisten Artikeln gar nicht um die Wirksamkeit gegen Depressionen bei Menschen geht. So berichtet zum Beispiel eine Veröffentlichung über Hypomanie durch 5-HTP, und zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich mit Wirkungen bei Versuchstieren.
Tatsächlich gibt es nur wenige randomisierte klinische Studien, die die Wirkung von Griffonia bzw. 5-HTP gegen schwere Depressionen untersuchen. Der im Artikel „Bohnen im Kopf“ zitierte Cochrane Review1 fand 2002 nur eine einzige Studie, die 5-HTP mit Placebo vergleicht, die aber wegen der äußerst geringen Teilnehmerzahl von zehn Patienten keinen Beleg für die Wirksamkeit darstellt. Außerdem hatten wir bei der Recherche eine randomisierte kontrollierte Studie gefunden (Jangid 2013),2 die ebenso wie die von Ihnen beigelegte Studie (Pöldinger 1991)3 5-HTP mit einem zugelassenen Antidepressivum vergleicht. Der Haken daran: Weil in den beiden Studien ein zusätzlicher Vergleich mit Placebo fehlt, lässt sich der Nutzen von 5-HTP damit nicht ausreichend belegen. Denn es ist bekannt, dass Placebo-Effekte bei Depressionen sehr hoch sind.4 Hinzu kommt: Beide Studien waren nicht besonders groß, und deshalb lässt sich aus „kein Unterschied“ nicht automatisch Gleichwertigkeit schlussfolgern. Wir haben inzwischen die Literaturrecherche nochmals aktualisiert, aber keine Studie gefunden, die unsere Bewertung verändern würde.5
5-HTP ist keineswegs nebenwirkungsfrei, auch das hatten wir schon im Originalartikel mit Quellenangabe geschrieben. Das in der Pöldinger-Studie verwendete Präparat musste 1992 wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden.6 Auch diese Information steht in unserem Artikel.
Dass wir Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer unkritisch propagieren würden, ist unsinnig. Wir haben wiederholt über den begrenzten Nutzen von SSRI-Antidepressiva geschrieben (zuletzt GPSP 2/2019, S. 9 und S. 14). Hier gibt es im Gegensatz zu 5-HTP immerhin aussagekräftige Studien.
Stand: 29. April 2019 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2019 / S.24