Lässt sich das Demenzrisiko senken?
Langzeitstudie aus den USA macht Hoffnung
Weltweit ist Demenz, meist in Form der Alzheimer-Krankheit, die häufigste Ursache von Pflegebedürftigkeit im Alter. Mit ständig steigender Lebenserwartung, so die Prognosen von Experten, nähmen deshalb Demenzerkrankungen zu, inklusive der Belastungen für Angehörige und der Betreuungskosten. Die Angst, selbst an Demenz zu erkranken oder einen Angehörigen lange pflegen zu müssen, ist weit verbreitet. Aber möglicherweise kommt es nicht ganz so schlimm, lässt eine aktuelle Veröffentlichung hoffen.
In den letzten Jahren gab es bereits in einigen Studien Hinweise, dass Demenzerkrankungen abnehmen. Aber entweder konnten die Studien diese Tendenz nicht statistisch sichern oder sie waren methodisch zweifelhaft. Denn wenn es um Tendenzen geht, muss man für eine zuverlässige Aussage eine größere Personengruppe über Jahrzehnte kontinuierlich untersuchen – ein sehr aufwendiges und kostspieliges Unterfangen.
Aufsehen erregte deshalb jüngst eine Veröffentlichung aus der US-amerikanischen Framingham-Langzeitstudie (siehe Kasten, S. 26).1 Diese 1948 in Framingham begonnene Studie untersucht seit Jahrzehnten die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Seit 1975 wird zusätzlich das geistige Leistungsvermögen mit detaillierten Fragebögen und speziellen psychologischen Tests fortlaufend erfasst. Wenn sich dabei Hinweise auf eine beginnende Demenz oder eine geistige Beeinträchtigung andeuteten, hat man die Testpersonen zu weiteren Spezialuntersuchungen eingeladen. Jedem Verdacht auf erste Demenzsymptome wurde intensiv nachgegangen, das heißt Experten haben die Daten von betroffenen Männern und Frauen individuell analysiert und bewertet.
Um zu ermitteln, ob Demenz häufiger auftrat oder nicht, verglichen die Wissenschaftler die Zahl der Neuerkrankungen über eine Spanne von mehr als 30 Jahren (von 1977 bis 2008). Es wurden dabei vier Zeiträume von jeweils rund fünf Jahren betrachtet. In die Auswertung kamen nur Personen, die mindesten 60 Jahre alt waren, bei denen zuvor keine Demenz diagnostiziert worden war und die regelmäßig zu den Untersuchungen kamen.
Die Ergebnisse sprechen für eine erfreuliche Tendenz: Innerhalb von fünf Jahren erkrankten im ersten Untersuchungszeitraum (ab 1977) knapp 4 von 100 Personen an Demenz, im letzten Zeitraum (ab 2004) waren es nur noch 2 von 100. Es gab aber nicht nur weniger Neuerkrankungen, sie traten auch später auf. Während eine Demenz im ersten Untersuchungszeitraum durchschnittlich im Alter von 80 Jahren begann, trat sie im letzten Zeitraum im Schnitt erst mit 85 ein.
Dass speziell die Alzheimer-Demenz abnimmt, ließ sich dabei nicht eindeutig belegen. Deutlicher war dagegen die Abnahme bei der so genannten vaskulären Demenz. Dazu passt, dass Gefäßerkrankungen, Bluthochdruck und andere Risikofaktoren für diese Demenzform ebenfalls abnahmen. Das kann aber die erfreuliche Entwicklung nicht ganz erklären.
Bildung schützt
Der interessanteste Befund ist wohl, dass die positive Entwicklung mit dem Bildungsgrad verknüpft ist. Denn Demenzerkrankungen nahmen nur bei Personen mit höherem Schulabschluss ab, und deren Zahl ist über die Jahre gestiegen.
Die Autoren der aktuellen Auswertung nehmen an, dass Menschen mit besserer Bildung einen gesünderen Lebensstil pflegen und dadurch ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Das dürfte sich zusätzlich positiv auf geistige Funktionen auswirken. Welche Rolle Faktoren wie Ernährung, Sport und Umwelt dabei spielen, wurde in der Framingham-Studie leider nicht untersucht, merken die Autoren selbstkritisch an. Auffallend ist, dass Übergewicht und Diabetes in der Framingham-Studie im Verlauf von über 30 Jahren nicht seltener auftraten. Dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen trotzdem abnehmen, lässt sich am ehesten so interpretieren: Menschen mit höherer Bildung haben mehr Einsicht in die Notwendigkeit gesundheitsfördernder Verhaltensänderungen und konsequenter Behandlung von erhöhtem Blutdruck oder Diabetes. Hierin steckt auch eine klare Empfehlung für jeden Einzelnen.
Demenz – mehr als Vergesslichkeit, GPSP 5/2008, S. 12
Stand: 25. April 2016 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2016 / S.25