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© AndreaObzerova-iStock

Kinesio-Tapes: Und die bunten Bänder kleben wir

Tut die Schulter weh? Zwickt‘s im Knie? Da gibt es doch diese knallfarbigen Bänder zum Aufkleben. Wichtig ist natürlich, welche Farbe wo hinkommt. Einmal „getapt“ und schwups weg sind die Schmerzen? Schön wär‘s.

Erfunden wurde das Ganze von einem japanischen Chiropraktiker Kenzo Kase vor vielen Jahren. Es dauerte, bis diese Kleberei hierzulande ankam. Dienlich dürfte sein, dass auch die Spitzen des Leistungssports die Bänder öffentlichkeitswirksam zur Schau tragen. Nicht nur in der Alternativmedizin wird die Methode angepriesen. Es soll sogar echte Ärztinnen und Ärzte geben, die auf Kleben stehen. Kann doch nicht falsch sein, wo es in Hannover eine „Kinesio® University“ gibt, die für ihre Schulungen Zertifikate ausstellt.

Und sogar manche Krankenkassen bezuschussen die bunten Bänder. Zum Beispiel die DAK, wenn eine physiotherapeutische Behandlung ärztlich verordnet wurde. Der behandelnde Therapeut muss über eine entsprechende Zusatzqualifikation verfügen, fordert die Kasse. Wie bitte? Für eine wissenschaftlich nicht etablierte Methode kann man sich qualifizieren? Welche Qualität hat das denn? Ob die DAK damit den deutschen Zweig der „Kinesio® University“ meint, wissen wir nicht. Die wird übrigens von einem Heilpraktiker betrieben. Schließlich ist „University“ in Deutschland kein geschützter Begriff, so kann sich jeder nennen.

Und jetzt kommt der Spoiler. Da so ziemlich alles getestet wird, was man an Menschen gesundheitlich ausprobieren kann, gibt es auch Untersuchungen zum Kinesio Taping. Die angesehene Cochrane Collaboration hat systematisch ausgewertet, was von der Kleberei gegen Schulterschmerzen zu halten ist.1 Nicht so viel. Der einzige bedeutsame Effekt fand sich bei der Lebensqualität – und er beruht auf einer Untersuchung mit gerade einmal 30 Patient:innen. Also ist selbst diese Schlussfolgerung mit Vorsicht zu genießen. Insgesamt warnt Cochrane, dass die Studien von „sehr schlechter Qualität“ seien. Aber, ach so schöne bunte Bänder, da muss man sich ja einfach besser fühlen. Spielverderber sagen dazu Placebo-Effekt.

Und wer immer noch nicht genug getapt hat: Man kann sogar seinen Hund bekleben. Nur wenn das Fell lang ist, wird es etwas schwierig.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2022 / S.18