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© Konstantin Sutyagin

Internetdoktor

Fernbehandlung per Computer?

Der Hausarzt bekommt Konkurrenz. Wer will, kann sich jetzt per Internet behandeln lassen: Untersuchung, Diagnose, Therapie – alles per Mausklick. Geht das überhaupt? Und kann das gut gehen?

In Deutschland ist Ärzten Fernbehandlung berufsrechtlich verboten. Anders in Großbritannien, dort ist dieses Verfahren seit längerem möglich und legal. Die Internetfirma DrEd.com will daher den deutschen Markt von London aus erschließen. Von dort aus stellen derzeit zwei Ärzte als „DrEd“ Diagnosen und schreiben Rezepte aus.

Eins dürfte klar sein: Bei komplizierten Diagnosen sind die Computerärzte mit ihren Fragebögen über fordert. Aber hier wollen sie auch gar nicht aktiv werden. Sie wollen zum einen den profi tablen Lifestylebereich abdecken, es geht also um Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel, zum Beispiel gegen Impotenz oder Haarausfall beim Mann. Da setzt die virtuelle Arztpraxis auf die Anonymität des Internets. Zum anderen geht es um die Behandlung chronisch Kranker bei erhöhtem Cholesterin, Bluthochdruck, Asthma bronchiale und anderem. Das setzt voraus, dass der Patient oder die Patientin bereits in einer realen Arztpraxis untersucht und die passende Th erapie gefunden wurde.

Absurdes Modell

Die Realität offenbart die Schwächen des Konzepts: Wer sich z. B. wegen Bluthochdruck behandeln lassen will, soll zunächst einmal seinen aktuellen Blutdruck angeben. Ob dieser korrekt gemessen wurde, kann der Internetarzt nicht prüfen. Warum der Blutdruck erhöht ist, kann man auf diese Weise natürlich nicht feststellen. Außerdem wünschen sich die Internetärzte Patienten, die vom Hausarzt bereits gut eingestellt sind. Folgerezepte bietet dann der Internetdoktor an. Der verspricht, dass ein Rezept innerhalb von zwei bis drei Werktagen eintrifft, alternativ kann eine Versandapotheke die Medikamente liefern. Die Krankenkassen bezahlen den Internet-Doktor allerdings nicht.

Das Konzept überzeugt uns überhaupt nicht: In erster Linie erachten wir DrEd als rezeptverordnenden Computer. Man kann nicht von „Behandlung“ sprechen, wenn lediglich eine bestehende Behandlung fortgeschrieben wird und Patienten immer dann ihren Hausarzt aufsuchen sollen, wenn die Therapie nicht optimal ist. Selbst wer in entlegenen Gegenden weit entfernt von der nächsten Arztpraxis wohnt, dürfte allenfalls dann von dem Angebot profitieren, wenn er oder sie Anonymität wünscht. Ansonsten ist es besser, Nachfolgeverordnungen mit dem tatsächlich behandelnden Hausarzt zu regeln.

Neben den medizinischen Fehlern, die bei anonymer „Behandlung“ per Internet geschehen können, gibt es noch weitere Bedenken: Gerade in dünn besiedelten Gegenden könnten langfristig noch mehr Arztpraxen verschwinden, denen die Einnahmen aus den Kontrolluntersuchungen fehlen. Das wäre schlimm, denn für akute Erkrankungen, Notfälle und die Therapie von Kindern und Jugendlichen ist eine Behandlung per Internet, wie der Anbieter selbst betont, „ungeeignet“. Trotz allem befürchten wir, dass die „virtuelle Arztpraxis“ ihren Teil am Gesundheitsmarkt erobern wird und dass andere „Praxen“ dieser Art folgen. Und übrigens: Sie können in der so genannten Internet-Sprechstunde nicht sicher sein, ob Sie wirklich immer mit einem echten Arzt in Kontakt sind und ob Ihre Daten wirklich geheim bleiben.

Eine Behandlung bei DrEd

Als Patient müssen Sie eine der vorgeschlagenen Sprechstunden auswählen, beispielsweise Innere Medizin/Bluthochdruck. Nun sind einige Fragen zur medizinischen Vorgeschichte zu beantworten und welche Medikamente Sie bereits einnehmen. Gegebenenfalls werden Messwerte wie Körpergewicht und Blutdruck abgefragt. Anschließend wird eine Passwort-geschützte Online-Patientenakte angelegt, über die anschließend der „Arzt-Patienten-Kontakt“ läuft. Einige Stunden später stellt der Internet-Arzt entweder weitere Fragen oder teilt die Diagnose mit und schlägt eine Behandlung vor. Kann er keine Diagnose stellen, schickt er Sie zum Hausarzt. Entscheiden Sie sich für die Fernbehandlung, müssen Sie weitere Fragen beantworten und eine privatärztliche Behandlungsgebühr bezahlen. Außerdem bestimmen Sie, ob ein Rezept ausgestellt wird oder ob eine Versandapotheke sie beliefern soll. Für Laboruntersuchungen schickt Ihnen die „Internetpraxis“ beispielsweise ein Teströhrchen für eine Urinprobe, die Sie selbst an ein Labor senden sollen. Das Labor informiert DrEd über das Ergebnis.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2012 / S.10