In die Suppe gespuckt
Man nehme:
• Schöne Kindheitserinnerungen
• Verdickungsmittel
• Geschmacksverstärker
• Eine Pandemie
• Handverlesene Health Claims1
Einmal kräftig umrühren – und schon ist angerichtet. Also nicht das Essen. Sondern die Abmahnung.
Das hatte sich das Marketing-Team eines bekannten Tütensuppen-Herstellers sicherlich anders vorgestellt. Vermutlich fing alles an mit der wehmütigen Erinnerung an Oma, die immer gesagt hat: „Wer krank ist, braucht meine gute Hühnersuppe. Und wer nicht krank werden will, erst recht.“ Evidenz hin, Erfahrung her: Lecker war die Suppe immer. Und irgendwann war die Erkältung dann ja auch weg.2
Fürs 21. Jahrhundert und große Umsätze reicht das nicht wirklich. Besonders wenn man an Huhn und Gemüse spart.3 Dann braucht es natürlich hippe Zutaten wie Kurkuma und Ingwer – und einen stylischen Namen. Damit das alles auch rechtlich abgesichert ist, noch schnell Vitamin B6, Vitamin B12 und Vitamin C dazu. Ganz schön clever, denn dann darf man auf die Packung schreiben „trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“.4
Aber irgendwie klingt das immer noch ein bisschen lahm, dachten wohl die Marketing-Expert:innen. Geht das nicht knalliger? Wie wäre es denn zum Beispiel mit „Immunsuppe“? Bingo. Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, vor allem in Corona-Zeiten?!
Denkste. Es sind natürlich wieder mal die Spaßbremsen aus der Verbraucherzentrale, die mit den armen Marketing-Leuten ein Hühnchen zu rupfen haben. Selbst bei Blumenkohl-Broccoli und Gemüsecreme finden die noch ein Haar in der Suppe. Da helfen auch die Sternchen ** nicht. Nein, nicht die Suppennudeln, sondern das Kleingedruckte auf der Packung.
Apropos erlaubte Gesundheitsbehauptungen: Dazu gehört „Immunsuppe“ übrigens nicht. Das sah dann auch der Tütensuppen-Hersteller ein und unterschrieb die Abmahnung ohne Widerstand – pünktlich zum Beginn des Frühlings. Da wird doch wohl nicht jemand in der Chefetage damit kalkuliert haben, dass zum Ende des Winters die Suppe sowieso ausgelöffelt ist?
Stand: 1. Juli 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2022 / S.18