Den Blutdruck selbst messen
Tipps für verlässliche Ergebnisse
Einst stand die Blutdruckmessung bei einer Hausarztkonsultation im Mittelpunkt: Eine Oberarmmanschette wurde mit einem kleinen Gummiblasebalg bis zur Schmerzgrenze aufgepumpt, dabei fixierten Arzt oder Ärztin mit ernstem Blick eine Quecksilbersäule. Nach dem Ablassen des Druckes wurde den Untersuchten nicht minder ernst der Blutdruck mitgeteilt. Seither hat sich viel getan und die Eigenmessung ist viel wichtiger geworden. Worauf Sie dabei achten sollten, erklären wir hier.
Heute ist bekannt, dass derartige „Praxismessungen“ in 40 Prozent der Fälle falsch sind, meist sind die gemessenen Werte zu hoch. Das Phänomen wird „Weißkittel-“ oder „Praxishypertonie“ genannt, oft ausgelöst durch Aufregung. Besonders häufig passiert das älteren Menschen, denn mit den Jahren verliert das Gefäßsystem an Elastizität. Dann können schon kleinere Aufregungen zu Blutdruckspitzen führen.
Nicht selten werden bei der Messung technische Fehler gemacht, etwa wenn das medizinische Personal unter Zeitdruck steht. Und Fehler können natürlich auch bei der Messung zu Hause passieren (siehe Tabelle).
GPSP Fehlerquellen beim Blutdruckmessen |
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Messwerte fallen zu hoch aus | Messwerte fallen zu niedrig aus |
Zu schmale Manschette | Zu breite Manschette |
Manschette wird über der Kleidung angelegt | Zu lose anliegende Manschette |
Manschette liegt unter Herzniveau | Manschette liegt über Herzniveau |
Verkrampftes Sitzen, Beine überkreuzt | Messung im Liegen |
Wiederholtes und schnelles Aufpumpen | Messung nach dem Essen |
Erwartungshaltung (Weißkittelhypertonie) | Unerkannte ausgeprägte Arteriosklerose im Arm |
Zeitdruck, Harndrang, Schmerzen, Angst, Frieren, Unterhaltung | Messung nach Ausdauertraining |
Rauchen, stimulierende Getränke (Kaffee, Alkohol) und Drogen |
Um zuverlässigere Blutdruckwerte zu erhalten und den Weißkitteleffekt zu umgehen, wurde die 24 Stunden Langzeit-Blutdruckmessung entwickelt. Diese mobilen Systeme messen den Blutdruck in Intervallen immer wieder, beispielsweise tagsüber alle 30 Minuten und in der Nacht stündlich. Dies gilt heute als „Goldstandard“ der Blutdruckmessung, obwohl auch diese Methode einen gewissen Stress bedingt und eigene Fehlerquellen hat.
Die einfachste und praktikabelste Methode zur Blutdruckmessung ist, wenn Menschen ihren Blutdruck selbst messen. Wenn Sie dabei einige Grundregeln beachten, eignet sich die Selbstmessung zum Erkennen einer arteriellen Hypertonie und zur Therapiesteuerung.
Welche Geräte sind zur Selbstmessung empfehlenswert?
Es gibt unzählige Geräte im Handel. Am gebräuchlichsten sind automatische Oberarm- und Handgelenksmanometer. Diese pumpen die Druckmanschetten auf und lassen den Druck mit einer definierten Geschwindigkeit wieder ab. Das Korotkow-Geräusch (siehe Kasten) wird meist mit einem integrierten Mikrofon erfasst. Wichtig ist, dass die Manschettengröße zum Oberarmumfang passt. Ist sie zu schmal oder zu breit, wird der Blutdruck zu hoch beziehungsweise zu niedrig gemessen. Grundsätzlich sind Messungen am Handgelenk ebenso zuverlässig wie am Oberarm. Allerdings können Verdickungen an den Arterienwänden, etwa durch Arteriosklerose, die Messung am Handgelenk erschweren. Daher wird Personen die älter sind, die rauchen oder die einen Diabetes haben eher ein Oberarmmanschettensystem empfohlen. Wer stark übergewichtig ist oder einen großen Oberarmumfang hat sollte eher Handgelenkgeräte nutzen. Ideal ist natürlich, wenn die Möglichkeit besteht, vor dem Kauf ein paar Geräte auszuprobieren.
„Smarte“ Messgeräte (siehe Kasten) sind vor allem etwas für technikaffine Menschen, die auch mit der zu erwartenden Datenflut umgehen können. Hier ist es wegen der höheren Fehlerquote ratsam, die Messungen hin und wieder durch ein manometrisches System zu überprüfen. Als alleinige Messmethode sind sie nicht empfehlenswert.
Generell sollten alle Blutdruckmessgeräte mindestens über ein „CE Siegel“ nach dem Medizinproduktegesetz verfügen und auf ihre Messgenauigkeit geprüft worden sein. Solche Prüfungen führen beispielsweise die Stiftung Warentest oder die Deutsche Hochdruckliga durch. Die Prüfergebnisse werden veröffentlicht. Die Preise für die meisten Geräte schwanken zwischen 20 bis 180 Euro. Der Preis sagt über die Messgenauigkeit meist wenig aus. Wichtig ist vor allem die technische Robustheit und eine einfache und intuitive Handhabbarkeit.
Geräte können auch kaputt gehen, darum sollten sie einmal jährlich überprüft werden. Das können Sie selbst durchführen, etwa durch Parallelmessungen in Arztpraxen oder Apotheken. Weicht der gemessene Wert mehr als 10 mmHg gegenüber anderen Geräten ab, weist das auf einen bedeutsamen Fehler hin, ebenso, wenn die Manschette unkontrolliert Luft verliert oder die Messwerte plötzlich viel höher oder niedriger sind als gewohnt.
Wie wird nun der Blutdruck richtig gemessen?
Grundsätzlich sollten beim Blutdruckmessen bestimmte Regeln befolgt werden:
- Vermeiden Sie eine Stunde vor der Messung körperliche Anstrengung, Aufregung, Kaffee oder andere stimulierende Getränke. Achten Sie darauf, dass Ihre Blase nicht drückt.
- Ziehen Sie sich in einen ruhigen Raum zurück. Setzen Sie sich aufrecht auf einen Stuhl, dabei den Rücken anlehnen und beide Füße auf den Boden stellen.
- Entfernen Sie alle Kleidungsstücke am Oberarm oder Handgelenk, lagern Sie Ihren Arm auf eine bequeme Unterlage und positionieren Sie den Messpunkt auf Höhe des Herzens.
- Warten Sie bis zur Messung mindestens 3 Minuten und wiederholen Sie die Messung nach 3 Minuten. Führen Sie bei ungewöhnlichen Werten eine dritte Messung durch. Ignorieren Sie den Mess-Ausreißer, es handelt sich meist um eine Fehlmessung. Notieren Sie die Werte der beiden plausibelsten Messungen.
- Bei der ersten Blutdruckmessung sollte an beiden Armen gemessen werden. Abweichungen sind innerhalb bestimmter Grenzen nicht ungewöhnlich: systolischer Druck bis 10 mmHg und diastolischer bis 5 mmHg. Für alle nachfolgenden Messungen sollte dann stets der Arm verwendet werden, an dem der höhere Blutdruck gemessen wird.
- Führen Sie ein Blutdruckprotokoll und besprechen die Werte mit Ihren Ärztinnen und Ärzten.
Wie oft sollte gemessen werden?
Da der Blutdruck im Tagesverlauf und situativ stark schwanken kann, sind Mehrfachmessungen sinnvoll. Bei Ausreißern gilt es, Ruhe zu bewahren, nach möglichen Fehlerquellen zu suchen und die Messung nach wenigen Minuten zu wiederholen. Ignorieren Sie unplausible Messwerte.
Wenn bei Ihnen kein Bluthochdruck bekannt ist und Sie sicherstellen wollen, dass Ihr Blutdruck normal ist, dann sollten Sie immer mal wieder eine Messwoche durchführen: Messen Sie Ihren Blutdruck morgens vor dem Frühstück und abends vor dem Abendbrot. Sinnvoll sind zudem einzelne Messungen am Arbeitsplatz. Am Ende der Woche sollten etwa 12 Messwerte vorliegen.
Wenn bereits eine arterielle Hypertonie bekannt und behandelt wird, ist es wichtig zu wissen: Nach Therapiebeginn und jeder Veränderung der eingenommenen Medikamente kann es einige Tage dauern, bis die Mittel vollständig wirken. Rasche und starke RR-Senkungen sind eher selten. Messen Sie morgens und abends, jeweils vor der Medikamenteneinnahme. Berichten Sie Hausärztin und Hausarzt, wenn unerwartet große Schwankungen auftreten. Wenn eine zufriedenstellende Blutdruckeinstellung erzielt wurde, sollten Sie jeden Monat 1 bis 2 Messtage einlegen, um unmerkliche Veränderungen nicht zu übersehen.
Wie hoch dürfen die Blutdruckwerte sein?
Als Faustregel gilt: Der Blutdruck sollte in den Selbstmessungen nicht über 140/90 mmHg liegen. Wenn Sie wiederholt darüber liegen, sollten Sie das mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt besprechen.
Einen optimalen Blutdruck für alle Menschen gibt es nicht. Während jüngere Menschen mit Hypertonie oder Menschen mit Diabetes oder Nierenerkrankungen strengere Zielvorgaben haben (zum Beispiel 130/80 mmHg), können bei älteren und gebrechlichen Menschen mitunter höhere Werte als 140/90 mmHg toleriert werden. Denn einige Blutdruckmedikamente und ein zu niedriger Blutdruck können Schwindel verursachen und Stürze begünstigen.1 Am besten ist, wenn Sie die für Sie optimalen Zielwerte bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin erfragen.
Stand: 2. Mai 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2022 / S.04