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Oder gleich Placebos bunkern

Placebos wirken, weil, ja weil der Mensch an die Pille und die Hand, die sie ihm reicht, nur zu gerne glaubt. Irgendwie hat das auch was mit Konditionierung zu tun1 – drum können der Medizinmann, der die Hühnerknochen befragt, oder die Wahrsagerin, die die Gestirne liest, für Kranke von Nutzen sein. Irgendwie.

Darauf setzten vielleicht auch die Erfinder jenes optimistischen Pandemieplans, der uns – wenn eine böse Grippe um den Globus jagt – vor dem Schlimmsten bewahren soll. Sie ließen nämlich sündhaft teure Pillen bunkern, bei denen von Anfang an die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass der Hersteller lästige Studienergebnisse zur Wirksamkeit unter Verschluss hielt und die allgemein zugänglichen nicht wirklich überzeugten.2

Na, ahnen Sie, worum es geht? Genau. Um das Grippemittel Tamiflu® von Roche und das weniger bekannte Relenza® von GlaxoSmithKline. Beides Neur-amini-dase-hemmer. Wie heißt es so schön und so ehrlich im Pandemieplan für Deutschland in Sachen Grippeviren:3 „Da Neuraminidasehemmer erst nach Auftreten der letzten Pandemie entwickelt wurden, existieren keine epidemiologischen Informationen zu ihrer Wirksamkeit bei pandemischen Viren“. – Na und! Wer braucht solche Infos, wo doch bereits alle möglichen Placebos ganz wunderbar funktionieren.

Die teuren Roche-Pillen – übrigens wirken auch teure Placebos besser als billige4 – wurden also massenhaft geordert und gebunkert. Richtig spannend ist nun, was unsere Experten bei der anstehenden Überarbeitung des Pandemieplans von 2007 aushecken, nachdem Roche endlich alle relevanten Daten hat rausrücken müssen.5 Lassen sich die Planer etwa von der ersten Auswertung sämtlicher Studien zu Tamiflu® beeindrucken, die gar kein gutes Licht auf den Topseller wirft? Interessant auch: Hat mal jemand ausgerechnet, wie viel Steuergeld eingespart wird – inklusive diverse Arzneinebenwirkungen –, wenn unsere Regierung künftig schlichte Zuckerpillen einlagert und ganz konsequent auf deren Placebo-Wirkung setzt? Diese Kalkulation ist übrigens kein Kinderspiel. Eine Abgeordnete von DIE LINKE wollte wissen, „wie hoch die Kosten der öffentlichen Hand für die Einlagerung der umstrittenen Grippemittel Tamiflu und Relenza bisher waren“. Sie erhielt eine kecke Antwort:6 „Der Bundesregierung liegen keine aktuellen Zahlen … vor. Sie wird bei den zuständigen Stellen der Länder entsprechende Informationen abfragen und diese zur Verfügung stellen, sofern die Länder der Veröffentlichung zustimmen.“

Ach, wenn nur das Wörtchen „sofern“ nicht wär´ und die Kleinstaaterei ein Ende hätt´. Manche Glossen schreibt das Leben selbst – oder eine Parlamentarische Staatssekretärin im Auftrag der Regierung. Last but not least: Die USA haben rund 1,3 Milliarden € in die Tonne gehauen. Die Briten eine halbe Milliarde. Günstiger sind wir sicher auch nicht weggekommen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2014 / S.18