Gynäkologenhose
Das sind mal klare Worte aus der gynäkologischen Fachwelt, genauer gesagt von ihrem Berufsverband. Der sagt nämlich: „Selbstmord durch Pille – das ist falsch“ und versucht so, der obersten deutschen Arzneimittelbehörde, dem BfArM, zu widersprechen.1 Die hatte kürzlich in einem Rote-Hand-Brief Ärzte dazu aufgefordert, allen Frauen, die hormonell verhüten, zu raten, sich im Fall von Stimmungsschwankungen und depressiven Symptomen an eine Arztpraxis zu wenden.2 Denn nachweislich könne eine solche Situation fatale Folgen haben, etwa Selbsttötungsabsichten.
„Selbstmord durch Pille“ hat das BfArM jedoch nie behauptet, sondern eine vorbeugende Beratung gefordert. Aber wir lernen ja alle von Bild & Co., nicht unnötig zu differenzieren, sondern in Biertischmanier Klartext zu reden.
„Selbstmord durch Pille – das ist falsch“ versteht eben jeder und jede. Es passt zudem zu der Idee des Herrn Christian Albring, Präsident vom Berufsverband der Frauenärzte, dass Schuld nicht die Hormone in der Antibabypille sind, sondern die sexuelle Aktivität von Frauen. Die dänischen Studien, die nicht nur bei uns zu den neuen Warnhinweisen geführt haben, sind seiner Meinung nach wertlos. Sie vergleichen angeblich nicht Frauen mit und ohne Antibabypille, sondern sexuell aktive Frauen und sexuell nicht aktive. Das kann er leider nicht belegen, aber der Frauenarzt hat da so seine Vermutungen. Mal auf den Punkt gebracht, findet er:
Frauen, die hormonell verhüten, haben nicht nur Sex, sondern auch viele Konflikte: Liebe verursache ja auch Kränkungen usw. Da Frauen aber für ein Pillen-Rezept zum Arzt müssten, falle bei ihnen eine depressive Stimmung eher auf, und das würde in den dänischen Studien die Zahl der Depressionen bei Frauen mit Antibabypille erhöhen. Dass Frauen auch ohne Pille durchaus Sex haben, daran hat der Gynäkologe irgendwie nicht gedacht. In den dänischen Studien zählen sie zur Gruppe „ohne Antibabypille“.
Kachelt hier (männliche) Gynäkologenlogik gegen die Wand, wenn sie Behauptungen ohne Belege aufstellt und der Schreiber im Verein mit zwei anderen gynäkologischen Fachgesellschaften nur Glaubenssätze in die Welt bläst wie „Man kann davon ausgehen, dass …“ oder „Alle diese Faktoren sprechen dafür …“ und „… man kann aus diesen Zahlen vermuten …“?
In seinem Rote-Hand-Brief betont das BfArM, dass die dänischen Studien keinen Kausalzusammenhang belegen, aber: „Depressive Verstimmung und Depression stellen bei der Anwendung hormoneller Kontrazeptiva allgemein bekannte Nebenwirkungen dar. … Der Warnhinweis soll Angehörige der Heilberufe dafür sensibilisieren, ihre Patientinnen entsprechend aufzuklären…“ 1 – Dieser Wunsch ist wohl in die Gynäkologenhose gegangen.
Stand: 1. März 2019 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2019 / S.18