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Geschäfte mit Schwangeren

Folsäure, ja – aber bitte günstig

Ohne Zweifel, Folsäure und das chemisch ähnliche Folat, das in vielen Lebensmitteln steckt, sind wichtig: Frauen, die schwanger sind oder es werden wollen, brauchen eine ausreichende Menge Folat. Das hilft, bestimmten schweren Schädigungen des Ungeborenen vorzubeugen. GPSP zeigt, wie es richtig geht.

Die Firma Merck bietet mit Femibion® 1 und 2 zwei spezielle Schwangerschaftspräparate an. Sie warnt: „Die ersten wichtigen Entwicklungsschritte des Kindes spielen sich zu einem Zeitpunkt ab, zu dem viele Frauen noch gar nichts von ihrer Schwangerschaft wissen“.1

Hierbei wird auf so genannte Neuralrohrdefekte angespielt. Aus dem Neuralrohr entstehen zwischen dem 19. und 28. Tag der Schwangerschaft beim menschlichen Embryo, wie bei allen Wirbeltieren, das Rückenmark und das Gehirn. Es ist erwiesen, dass bei Folatmangel der Mutter häufiger Fehlbildungen dieser wichtigen Struktur beim Embryo vorkommen.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ab vier Wochen vor der möglichen Empfängnis eine tägliche Einnahme von 400 µg Folat oder Folsäure – und zwar zusätzlich zu der Folatmenge von etwa 200 µg, die wir im Schnitt ohnehin mit der normalen Nahrung aufnehmen.2

Dem Slogan der Firma Merck möchte GPSP an dieser Stelle nicht grundsätzlich widersprechen. In der Tat gilt die Notwendigkeit einer ausreichenden Folsäure-Versorgung vor und in der Schwangerschaft als bewiesen. So ging in Ländern, die per Gesetz Mehl mit Folsäure anreicherten, die Häufigkeit von Neuralrohrdefekten zurück. Es gibt also gute Argumente für Folsäure. So sieht es auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.3

Warum greift GPSP das Thema auf? Weil es Geldschneiderei ist, wenn für hochsensible Zielgruppen wie schwangere Frauen vergleichsweise teure Nahrungsergänzungsmittel beworben werden. Im Fall von Femibion® suggerieren Produktname und Werbestrategie, dass Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwangerschaft genau dieses – und nur dieses Produkt – benötigen.

60 Tabletten Femibion® 1 kosten zwischen 25 und 37 €. Andere Präparate mit derselben Menge Folsäure kosten einen Bruchteil davon. So kann sich frau mit gutem Gewissen also auch in der Drogerie preisbewusst entscheiden.

Und was hat es mit der patentgeschützten „Premium-Folsäureform Metafolin®“ auf sich, die Merck als Besonderheit von Femibion® anpreist? Nichts, kann frau getrost sagen. Außer einer Studie an Ratten, die einen künstlich erzeugten Folinmangel hatten,4 finden wir keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass diese Form der Folsäure irgendwelche Vorteile bietet.

Dasselbe gilt übrigens auch für das Präparat Femibion® 2 (von Merck ab der 13. Schwangerschaftswoche und für die Stillzeit empfohlen), das neben einer Tagesdosis Folsäure zusätzlich aus Fischöl gewonnene Omega 3-Fettsäure enthält. Für einen Nutzen von zusätzlicher Fischöl-Einnahme in der Schwangerschaft gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg.

Und wenn jemand gar keine Tabletten schlucken will? Das geht ebenfalls, auch wenn man mit den nebenwirkungsfreien Tabletten auf der sicheren Seite ist. Eine Folat-orientierte Ernährung ist durchaus möglich. Es gibt zahlreiche natürliche Folsäurelieferanten. Weizenkleie bietet bis zu 330 µg Folsäure je 100 g Rohgewicht. Auch grünes Gemüse enthält Folsäure und Folat, vor allem Spinat und Salate. Aber aufgepasst! Folat ist gegenüber Hitze, Licht und Luft empfindlich. Daher sollten Sie das Grünzeug beim Zubereiten nur kurz und unzerkleinert waschen, danach besser gedünstet als gekocht essen und nicht lange warmhalten. Tomaten, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Orangen, Sprossen und Weizenkeime sowie Kartoffeln, Leber und Ei liefern ebenfalls reichlich Folat.

Und wem das zu unübersichtlich oder zu aufwendig ist? Sie können längst mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel -kaufen, zum Beispiel Brot. Es ist dann entsprechend gekennzeichnet.

Wieviel man täglich davon braucht, steht in einer Tabelle auf der Verpackung. Das heißt, wenn Sie gezielt Ihre Lebensmittel auswählen, können Sie mehr Folsäure aufnehmen. Tabletten können so überflüssig werden.

Folsäure und Folat: kommen in vielen Lebensmitteln vor. Als Arzneimittel wird dagegen in der Regel die reine Folsäure verwendet, da sie leicht herzustellen ist und lange stabil bleibt. Folsäure wird im Körper in die Wirkform Folat umgewandelt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2015 / S.25