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© orinoco-rt/ iStockphoto.com

Der Trick mit dem Tee zum Abnehmen

In Kaffee, Tee oder Schokolade erwartet man keine Chemie, schon gar nicht, wenn sie als ­„natürlich“ ausgelobt werden. Doch wenn für die Produkte positive gesundheitliche ­Wirkungen angepriesen werden, ist Skepsis angezeigt.

Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic warnte kürzlich vor dem Tee HAVYCO-Vy&Tea.1 Dieser soll aus Vietnam stammen und rein pflanzlich sein – was normalerweise kaum der Erwähnung wert wäre. Was soll schließlich in Teebeuteln anderes enthalten sein als Kräuter und allenfalls die in Mode gekommenen Duft- und Aromastoffe?

Bei mehreren Konsumenten traten jedoch nach Genuss des zum Abnehmen angepriesenen Tees starke Nebenwirkungen auf. Die Teebeutel wurden daraufhin in einem Labor untersucht. Diese Analysen ergaben, dass es sich nicht – wie auf der Packung angegeben sowie per Internet und in sozialen Medien verbreitet – um einen rein pflanzlichen Tee handelt.

GPSP -Leserinnen und -Leser ahnen es wahrscheinlich bereits: In den Teebeuteln wurde der synthetische Wirkstoff Sibutramin entdeckt, ein sogenannter Appetithemmer, der einige Monate lang als verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Reductil®) bei uns im Handel war, aber sehr rasch wieder vom Markt verbannt wurde. Das lag an seinem Herz-Kreislauf-schädigenden Potenzial und ist inzwischen zehn Jahre her! Mittlerweile ist Sibutramin der chemische Wirkstoff, mit dem seit Jahren angeblich rein pflanzliche Abnehmmittel am häufigsten gepanscht werden. In einer Probe des Tees stieß das Untersuchungslabor zusätzlich auf die umstrittene Chemikalie Phenolphthalein, die abführend wirkt, aber wegen ihres krebsauslösenden Potenzials ebenfalls seit Jahren vom Arzneimittelmarkt verschwunden ist. Diese brisante Stoffmischung in einem Tee macht deutlich, dass den Anbietern solcher Panschereien die Gesundheit der Konsumenten völlig schnuppe ist.

Was in den Kaffee getan

Heimtückisch ist auch, dass stark wirkende chemische Bestandteile in Tees nicht erwartet werden. Dies gilt auch für dubiose Kaffees, die als „Schlankheitskaffees“ verkauft werden (GPSP 2/2015, S. 27). Selbst in Schokoriegeln und in einem Schokoladenherz hat Swissmedic nicht deklarierte chemische Substanzen gefunden, darunter den Erektionsförderer Sildenafil in Hochdosierung (GPSP 1/2019, S. 27).

In den zwei Monaten seit der letzten Ausgabe von GPSP haben wir 38 weitere illegale Produkte aufgespürt, erneut überwiegend gepanscht mit Erektionsförderern. Im Internet (www.gutepillen-schlechtepillen.de/heft-archiv/gepanschtes) finden Sie jetzt Näheres zu rund 2.200 illegalen Nahrungsergänzungsmitteln. Damit haben Sie Zugriff auf die weltweit umfangreichste öffentlich zugängliche Datenbank zu gepanschten Produkten. Doch auch diese kann leider nur die Spitze des Eisbergs darstellen, weil eine systematische behördliche Überprüfung der Qualität von Nahrungsergänzungsmitteln fehlt.

Neu gefunden: Mit chemischen Potenzmitteln gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • Bravo for Him: Sildenafil + Tadalafil + Desmethylcarbodenafil + Dithiodesmethylcarbodenafil
  • Fast Hard Gun: Sildenafil + Glibenclamid
  • Gold Lion: Hydroxythiohomosildenafil
  • Horse Power: Tadalafil
  • Machete Pills: Sildenafil + Tadalafil
  • Man Erect: Sildenafil
  • Max Vigor: Sildenafil
  • Mieilijian Cordycaps Tabletten 40%: Sildenafil
  • Natural Vigor Super: Sildenafil
  • Natural Vigor XP4: Sildenafil
  • Natural Vigor XP5: Sildenafil
  • Paparazzi 5800: Sildenafil
  • Pink Pussycat: Hydroxythiohomosildenafil
  • Poseidon Platinum 3500: Sildenafil
  • Power Khan: Aildenafil + Desmethylsildenafil + Thioaildenafil
  • PremierZEN Gold 7000: Sildenafil + Tadalafil
  • Rhino 7 Platinum 5800: Sildenafil
  • Stamina 9: Hydroxythiohomosildenafil
  • Super Platinum 30000 Bull: Tadalafil
  • Super Platinum 30000 Panther: Tadalafil
  • Super Platinum 30000 Rhino 7: Tadalafil
  • Super Platinum 30000 Stallion: Sildenafil + Tadalafil + Dapoxetin
  • Ultimate 3500: Thiodimethylsildenafil
  • Victorious: Hydroxythiohomosildenafil
  • Victorious Premium Edition: Hydroxythiohomosildenafil
  • X-Again Platinum: Tadalafil
  • Ying Da Wang: Sildenafil

Sildenafil ist der Wirkstoff des Arzneimittels Viagra® (auch in zahlreichen Generika erhältlich), Tadalafil wurde zuerst als Cialis® angeboten, inzwischen gibt es ebenfalls viele Generika. Die Panscherei von Nahrungsergänzungsmitteln mit nicht deklarierten – also verheimlichten – verschreibungspflichtigen Wirkstoffen gegen Erektionsstörungen ist besonders heimtückisch und kriminell. Sie können Verbraucher erheblich gefährden. Denn manche Menschen dürfen gerade solche chemischen Erektionsförderer nicht einnehmen. Dazu gehören Herzkranke, die gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris benötigen (GPSP 2/2013, S. 4 – https://gutepillen-schlechtepillen.de/angina-pectoris/). In Kombination mit einem chemischen Erektionsförderer wie Sildenafil kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen. Vor allem wer aus medizinischen Gründen chemische Erektionsförderer meiden muss, erhofft sich jedoch möglicherweise Hilfe von den als harmlos beworbenen Nahrungsergänzungsmitteln und ist unwissentlich gefährdet, wenn er an ein gepanschtes Produkt gerät.

Varianten von Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil: Hierzu gehören Aildenafil, Desmethylsildenafil, Desmethylcarbodenafil, Dithiodesmethylcarbodenafil und Hydroxythiohomosildenafil. Solche Varianten sind doppelt gefährlich, wenn sie in gepanschten Produkten enthalten sind. Neben den oben bei Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil genannten Bedenken kommt hinzu, dass chemische Varianten bislang überhaupt nicht oder allenfalls nur gering beim Menschen geprüft worden sind. Ihre Risiken lassen sich daher nicht abschätzen.

Dapoxetin: ist der Wirkstoff des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Priligy®, das gegen vorzeitigen Samenerguss angeboten wird. Wer beispielsweise an Herzerkrankungen oder Kreislaufstörungen beim Aufstehen leidet, darf diesen Wirkstoff aus der Reihe der Antidepressiva nicht einnehmen. Antidepressiva, die dem Dapoexetin chemisch nahe stehen, dürfen nicht mit Dapoxetin kombiniert werden, weil dies die unerwünschten Wirkungen verstärken würde (GPSP 4/2009, Seite 6; https://gutepillen-schlechtepillen.de/mittel-gegen-vorzeitigen-samenerguss-nebenwirkung-vermarktet/). Solche Vorsichtsmaßnahmen sind jedoch nicht möglich, wenn Wirkstoffe wie Sildenafil oder Dapoxetin als Inhaltsstoffe verschwiegen werden.

Mit chemischem Schlafmitteln gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • U-Dream Full 350 mg: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Full Night 450 mg: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Full Night: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Full-Night Formula: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Half-Night Formula: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Life 350 mg: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Life 450 mg: Zopiclon-Variante
  • U-Dream Life: Zopiclon-Variante
  • U-Dreams Full: Zopiclon-Variante
  • U-Dreams: Zopiclon-Variante

Die oben genannten Produkte, die als Kräutermittel gegen Schlafstörungen angeboten werden, wurde im Labor eine Substanz gefunden, die dem häufig als Schlafmittel verordnetem Zopiclon (Ximovan®, Generika) ähnelt. Wegen des Abhängigkeitspotenzials soll Zopiclon nur kurze Zeit – Tage bis maximal zwei Wochen, mit Absetzphase höchstens vier Wochen lang eingenommen werden. Bei abruptem Absetzen besteht Gefahr von Entzugsschlaflosigkeit. Schwindel, Gedächtnisstörungen und Halluzinationen können vorkommen. Besonders bedenklich ist ein zwar seltenes, aber gefährliches Zopiclon-bedingtes „unangemessenes Verhalten“, worunter Tätigkeiten wie Gehen, Kochen, Essen und sogar Auto fahren, ohne wirklich wach zu sein, zusammengefasst werden. An ein solches, auch „komplexes Schlafverhalten“ bezeichnetes Verhalten erinnern sich die Betroffenen später nicht! Besonders bedenklich ist, dass derartige Reaktionen nicht auf Produkte zurückgeführt werden, von denen fälschlich angenommen wird, dass sie rein pflanzlich sind.

Mit chemischem Appetithemmer gepanscht

Produkt: auf der Packung nicht deklarierte Stoffe

  • HAVYCO-Vy&Tea: Sibutramin, zum Teil + Phenolphthalein

Sibutramin war 1999 bis 2010 als verschreibungspflichtiges Arzneimittel (Reductil®) im Handel. Dann musste es – längst überfällig – weltweit wegen seines Herz-Kreislauf-schädigenden Potenzials aus dem Handel gezogen werden (GPSP 2/2010, Seite 8 – https://gutepillen-schlechtepillen.de/kurz-und-knapp-endlich-sibutramin-reductil-vom-markt/). Sibutramim kann den Blutdruck und die Herzschlagrate erhöhen und gefährdet vor allem Menschen mit koronarer Herzkrankheit (Angina pectoris), Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfall in der Vorgeschichte. Es drohen Herzinfarkt, Herzstillstand, Schlaganfall u.a. Auch wenn gleichzeitig bestimmte andere Medikamente eingenommen werden, sind lebensbedrohliche Folgen möglich.

Phenolphthalein: Die abführende Chemikalie Phenolphthalein wurde vor Jahren z.B. als Darmol® Abführschokolade verkauft. Das Abführmittel kann einen vorübergehenden Gewichtsverlust vorgaukeln, weil der Darm entleert wird. Es macht aber nicht schlank, sondern vielleicht sogar krank: Arzneimittel mit Phenolphthalein sind nämlich bereits vor vielen Jahren wegen ihres krebsauslösenden Potenzials vom Markt verschwunden. Wer langfristig ein Phenolphthalein-haltiges Mittel einnimmt, riskiert Magen-Darm-Störungen, Herzrhythmusstörungen, Krebs und andere unerwünschte Folgen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2020 / S.27