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Editorial 4/2022

Liebe Leserin, lieber Leser,

© Sandra Hallinger

im vorletzten Jahrhundert fuhren unzählige Händler mit ihren Planwagen durch den Wilden Westen und boten ein Extrakt aus Klapperschlangen feil. Es sollte gegen Schmerzen aller Art helfen, gegen Beinschwellungen, Frostbeulen und vieles mehr. Das Schlangenöl wurde in großem Stile von dem ehemaligen Cowboy Clark Stanley, dem „Rattlesnake King“, und einem Bostoner Drogisten hergestellt. Angeblich hatte Stanley die Rezeptur von den Ureinwohnern erhalten. Bei einer chemischen Untersuchung stellte sich später heraus, dass das Wundermittel in erster Linie aus billigem Mineralöl bestand und das stark brennende Capsaicin aus Chilischoten enthielt. Stanley wurde später wegen Betruges verurteilt und noch heute ist der Begriff „Schlangenöl“ in Nordamerika ein Synonym für unwirksame und betrügerische Heilmittel.

Sicher denken Sie nun, das sind alte Geschichten. Nun, dann schauen sie einmal ins Internet, dem modernen Planwagen. Dort können sie nach wie vor Schlangenöl erstehen, das gegen Muskel- und Gelenkschmerzen helfen soll. Viel häufiger werden jedoch Mittel mit Weihrauch, Perlenpulver, Glucosamin oder Chondroitin bei diesen Beschwerden angepriesen. Letzteres wird übrigens aus Hai-, Kuh- oder Schweineknorpel hergestellt, was von der Werbung aber verschwiegen wird – klingt auch weniger geheimnisvoll als Schlangenöl. Lesen Sie auf S. 9 mit welchen Legenden diese unwirksamen Mittel heute angepriesen werden. Und auf S. 21, wie zweifelhafte Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine als Wundermittel gegen Corona verhökert werden.

Viel Spaß beim Lesen,

Ihr Jochen Schuler

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2022 / S.03