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© StudioKL_iStock

Dreiste Werbetricks mit angeblichen Wundermitteln

Was hinter „Artrolux“, „Hondrox“ und „Flexumgel“ steckt

Im Internet preisen Seiten, die wie Nachrichtenportale aussehen, Produkte gegen Gelenkerkrankungen an. Die Namen der Mittel wechseln, doch dahinter verbirgt sich stets dieselbe ­Betrugsmasche.

Das Schema ist immer das gleiche: Ein genialer Student oder eine ebensolche Studentin hat ein Produkt entwickelt, das die Medizin revolutionieren soll. Die Motivation für diese Entdeckung ist stets eine tragische Familiengeschichte; mal betrifft es die Mutter, mal den Vater oder die Oma. Sie alle litten unter „Gelenk­erkrankungen“, die Ärzte nicht zufriedenstellend behandelten. Eingesetzte Medikamente halfen nicht, schädigten im Gegenteil sogar „Gelenke und Leber“.

In einem „Interview“ berichten der österreichische Medizinstudent Peter Rottendorf oder „Wunderkind-Student“ Fritz Rüdiger aus Deutschland von diesen Erfahrungen und sparen nicht mit Details wie „verfaulenden Gelenken“ und fatalen „Blutinfektionen“. Im schlimmsten Fall enden die tragischen Leidensgeschichten mit dem Tod der erkrankten Personen.

Tausende Betroffene solle es geben, Menschen, die unter „schmerzenden Gelenken“ leiden und die in der evidenzbasierten Medizin keine Hilfe finden. Abhilfe schaffen sollen Produkte, die Anbieter als „natürlich“ und „frei von Nebenwirkungen“ bewerben.

Faulende Gelenke?

Der Gedanke, dass schmerzende Gelenke möglicherweise nur der Beginn einer dramatischen, tödlich verlaufenden Erkrankung sind, ist nicht angenehm. Niemand möchte, dass seine Knie „verfaulen“ und den Körper von innen heraus vergiften. Es drohten zudem Herzstillstand, Hirnschäden, Leberkrebs oder Nierenversagen, heißt es. Die alarmistische Sprache der Texte schürt Angst, die Geschichten sind emotional. Diese Erzählung ist aber schlicht Unsinn.

Normalerweise entstehen bei Gelenkverschleiß keine Infektionen. Nur sehr selten geschieht es nach Operationen oder Verletzungen am Knie, dass sich das Gelenk entzündet. Auslöser sind dann Krankheitserreger – meist Bakterien, aber auch Viren oder Pilze, die durch Wunden ins Gewebe eindringen. Eine solche septische oder infektiöse Arthritis ist allerdings gut behandelbar und in der Regel nicht tödlich.

Gegen welche Gelenkerkrankung die angepriesenen Produkte helfen sollen, bleibt unklar. Es ist vage von „schmerzenden Gelenken“ die Rede, selten konkret von Arthrose. Die Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) ist ein langsam fortschreitender Verschleiß des Gelenkknorpels. Meist tritt sie im Alter auf, vor allem, wenn Gelenke übermäßig beansprucht wurden. Bei fortschreitender Erkrankung beeinträchtigt eine Kniegelenksarthrose durchaus die Lebensqualität Betroffener, denn selbst Laufen schmerzt dann.

Was bei Arthrose hilft

Bei einer Arthrose können Bewegung und ein gezielter Muskelaufbau die Gelenkveränderungen verlangsamen. Es gibt geprüfte, nachweislich wirksame Medikamente, die Schmerzen und Entzündungen lindern. Entzündungshemmende Mittel wie Diclofenac können Arthrose-bedingte Schmerzen lindern.1
Bei sachgemäßer Behandlung führen die Medikamente auch nicht zu einer „Vergiftung des Körpers“. Ob allerdings die im Internet angepriesenen Produkte gegen schmerzende Gelenke helfen, ist mehr als zweifelhaft.

Von wegen Wundermittel

Artrolux+, Hondrogel, Hondrox oder Flexumgel kommen als Pulver, Kapsel oder Creme daher und versprechen Linderung bei „schmerzenden Gelenken“, sollen „Knorpel und Knochengewebe wiederherstellen“ und sogar „Fäulnisprozesse stoppen“.

Im Nahrungsergänzungsmittel Artrolux+ finden sich beispielsweise Perlenpulver, Boswellia-Extrakt, Glucosamin und Chondroitin. Während Boswellia – besser bekannt als Weihrauch – „Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bei altersbedingter Abnützung (Arthrose) der Kniegelenke“ möglicherweise für kurze Zeit zumindest geringfügig lindern kann,2 ist für die Einnahme von Glucosamin und Chon­droitin keine gesundheitsfördernde Wirkung bekannt.1

Seit 2012 dürfen Nahrungsergänzungsmittel mit diesen beiden Stoffen auch gar nicht mehr mit einer positiven Wirkung auf Gelenke beworben werden. Die Verbraucherzentrale warnt sogar, dass eine Einnahme gefährlich sein könne.3 Allergische Reaktionen seien ebenso möglich wie Wechselwirkungen mit anderen eingenommen Medikamenten.

Ein weiteres beworbenes Produkt ist Flexumgel. Erstaunlicherweise finden sich hier – je nach Anbieter – sogar unterschiedliche Angaben, was das Gel enthält, zum Beispiel: Seeigel- und Seestern-Extrakt sowie Teufelswurzelextrakt oder Eukalyptus, Propolis, Arnica-Montana-Extrakt, Niacin­amid, Menthol und Kampfer. Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) stellte bereits 2021 fest, dass es für eine medizinische Wirksamkeit des Gels keine wissenschaftlichen Daten gebe und resümiert: „Das über internationale Online-Verkaufsplattformen und diverse illegale Webseiten […] vertriebene Produkt ‚Flexumgel‘ wird vom BASG […] als illegales Arzneimittel (Präsentationsarzneimittel) eingestuft.“

Auf den Webseiten der Online-Händler finden sich keine Mengenangaben für die einzelnen Wirkstoffe. Für Cremes müssten zudem die weiteren Inhaltsstoffe angegeben sein wie Emulgatoren, Fette und Wasser. Auch solche Angaben fehlen.

Neben Glucosamin und Chondroitin enthält laut Webseite das „wärmende Spray“ Hondrox unter anderem ätherische Öle, Vitamine und Arnica-Extrakt. Für keinen dieser Inhaltsstoffe gibt es überzeugende Belege, dass sie bei Arthrose helfen. Im Zusammenhang mit Hondrox warnte im April 2022 das österreichische Portal Mimikama4 vor Online-Shops, die „dieses vermeintliche Wundermittel“ anbieten.5

Fake und Betrug

Begriffe wie „wissenschaftliche Strukturen“, „medizinische Institute“ oder „Spezialisten des Instituts für Rheumatologie“, die die vermeintlichen Wundermittel feiern, suggerieren fachliche Seriosität. Die Angaben bleiben jedoch schwammig, konkrete Namen von Universitäten oder Instituten fehlen. Dafür äußert sich aber ein angeblicher Experte, Rheumatologe und Medizinprofessor, lobend zu den Produkten. Im Internet oder in Datenbanken für wissenschaftliche Veröffentlichungen sucht man diese „Experten“ aber vergeblich – sie sind vermutlich frei erfunden.

Die Webseiten mit den vermeintlichen Entwickler- und Experten-Interviews liegen allesamt auf Domains mit unseriösen URLs. Wenngleich die Seiten optisch Nachrichtenportale imitieren – etwa mittels Tabs mit Begriffen wie „Politik“ oder „Sport“–, sind die Links tot oder führen einzig auf das beworbene Produkt. Die Texte an sich klingen konstruiert und sind durchzogen von sprachlichen sowie fachlichen Fehlern. Angaben wie Impressum oder Geschäftsbedingungen fehlen.

Solche Seiten sind kein allein deutsches Phänomen, auch in anderen Sprachen werden vergleichbare Produkte angeboten. Sara Calamarà wirbt auf Italienisch für ein Produkt gegen Übergewicht, während Pavle Milojević in Serbien wie auch Peter und Fritz Menschen von Gelenkerkrankungen heilen möchten. Die Fotos auf den Webseiten sind aus dem Internet geklaut. Besonders krass ist der Missbrauch des Bildes bei dem angeblichen deutschen Studenten Fritz Rüdiger. Das Foto zeigt tatsächlich einen rumänischen Informatikstudenten, der in Großbritannien eine Auszeichnung für besondere Studienleistungen erhielt, allerdings in Mathematik, Computerwissenschaften und Italienisch.

Die angeblichen Wundermittel sind nicht nur mehr als fragwürdig, was ihre Wirkung angeht. Es ist teils nicht einmal klar, ob die Produkte überhaupt existieren. Auf dem Bewertungsportal „Trustpilot“ warnen Menschen vor Online-Händlern der zuvor genannten Produkte, die sie trotz Zahlung niemals erhielten.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2022 / S.09