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©Kurt Tutschek - Fotolia.com

Cholesterinsenker Ezetimib

Viel verschrieben – Nutzen unklar

Das cholesterinsenkende Arzneimittel Inegy® ist ein Verkaufsschlager. Mit 135 Millionen Euro1 nimmt es Rang 12 der umsatzstärksten Arzneimittel in Deutschland ein. Es enthält zwei blutfettsenkende Wirkstoffe: das neuere Ezetimib und das bewährte Simvastatin. Weltweit sind 2007 etwa 5 Milliarden Dollar für Medikamente mit dem Wirkstoff Ezetimib umgesetzt worden. Dennoch ist man sich heute – sechs Jahre nach der Markteinführung – keineswegs sicher, ob die Zugabe von Ezetimib wirklich von Nutzen ist.

Ezetimib ist auch als Einstoffpräparat Ezetrol® im Handel. Der gigantische Umsatz von Inegy® und Ezetrol® ist vor allem Folge enormer Werbemaßnahmen. Ezetimib soll die cholesterinsenkende Wirkung von Simvastatin verstärken. Die Anbieter Merck & Co und Schering-Plough (USA) – hierzulande sind es MSD und Essex Pharma – haben den Ärzten eingebläut, das Mittel zu verordnen. Es besteht zudem der dringende Verdacht, dass die Firmen bewusst Studiendaten unter Verschluss gehalten haben, die für den Lipidsenker ungünstig ausgefallen sind und den Verkauf hätten beeinträchtigen können.

So haben Merk & Co und Schering-Plough erst unter beträchtlichem öffentlichen Druck Anfang 2008 die Ergebnisse einer Studie mit Ezetimib bekannt gegeben, die bereits zwei Jahre zuvor abgeschlossen worden war. In dieser hatte man die Wanddicke der Halsschlagader geprüft: Messlatte für das Ausmaß gefäßverengender Erkrankungen (Arteriosklerose). Verglichen wurde die Behandlung mit einer Kombination von Ezetimib plus Simvastatin und die Behandlung mit Simvastatin allein. Simvastatin gilt als bewährtes Mittel bei zu hohen Cholesterin­spiegeln (siehe GPSP 4/2007: 3-7) und ist relativ preiswert: Günstige Generika gibt es bereits für 11 Euro pro Monat (Tagesdosis 40 mg). Mit monatlich 55 Euro bis 75 Euro ist die Kombination mit Ezetimib (Inegy®) fünf- bis siebenmal so teuer. Doch ein Zusatznutzen der Kombination war der Studie nicht zu entnehmen: Das Kombi-Präparat senkt das Cholesterin zwar stärker als Simva­statin allein, die Wanddicke der Halsschlagader wird jedoch nicht günstiger beeinflusst als durch Simvastatin als Einzelwirkstoff.

Anonyme Einträge auf einer Homepage für Pharmareferenten lassen annehmen, dass diese für Ezetimib ungünstigen Daten innerhalb der Firma schon mindestens seit März 2007 bekannt waren. Sollte es etwa reiner Zufall sein, dass der Direktor der pharmazeutischen Abteilung von Schering-Plough in der Zeit zwischen Beendigung der Studie und Bekanntgabe der Ergebnisse einen großen Teil seiner Aktien von Schering-Plough verkauft hat? Wer glaubt der Firma, wenn sie bestreitet, dass dies in Kenntnis der noch nicht publizierten Ergebnisse geschehen sei?2

Hersteller und Zulassungsbehörden bauen überwiegend auf Studien, in denen so genannte Ersatzkriterien wie Senkung von Cholesterinwerten oder Wanddicke von Blutgefäßen bestimmt werden. Relevant wäre jedoch nachzuweisen, dass die Arzneimittel nicht nur Cholesterin senken oder die Wanddicke von Gefäßen beeinflussen, sondern langfristig tatsächlich das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen verringern – wie dies beispielsweise für Simvastatin belegt ist. Dazu bedarf es jedoch Studien, die mehrere Jahre dauern. Da sie aufwändig und teuer sind, versuchen Firmen um diese herumzukommen.

Solange der tatsächliche Nutzen von Ezetimib (Ezetrol®) beziehungsweise der Kombination von Ezetimib und Simvastatin (Inegy®) nicht gesichert ist, sollte der überteuerte Lipidsenker unseres Erachtens nicht verordnet und eingenommen werden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2008 / S.03