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Wechseljahre: Den eigenen Weg finden

Den eigenen Weg finden

Der Begriff „Wechseljahre“ umschreibt wunderbar, worum es hier geht: eine mehrjährige Lebensphase und ein wellenförmiges Auf und Ab. Kein Bruch. Das große Verdienst des Ratgebers „Wechseljahre“ von Annette Bopp ist, dass er diesen Wechsel sachkundig und verständlich erklärt, und zwar auf verschiedenen Ebenen: der biologisch-physiologischen, der psychologischen und der sozialen – mit allen möglichen Auswirkungen auf Lebensgefühl und Partnerschaft.

Bopp A (2016) Wechseljahre. Den eigenen Weg finden (2. Aufl.), Berlin: Stiftung Warentest, 191 S., 19,90 €
Bopp A (2016) Wechseljahre. Den eigenen Weg finden (2. Aufl.), Berlin: Stiftung Warentest, 191 S., 19,90 €

Das Wort Wechseljahre setzt einen Kontrapunkt zum Fachbegriff Menopause, der nur einen Einschnitt markiert, nämlich die letzte Regelblutung einer Frau.

Dass die Wechseljahre jahrzehntelang eine Domäne der Frauen­ärzte waren, hat Folgen: Die biologisch bedingten Veränderungen wurden lange in erster Linie als zu behandelnde Symptome betrachtet – und die Frauen als Patientinnen. Dementsprechend wurden ihnen Medikamente, vor allem Hormone, verordnet.

Doch gleich im ersten Kapitel macht dieser Ratgeber klar, dass hierzulande nur etwa ein Drittel der Frauen über Wechseljahrbeschwerden klagt. Das ergaben psychologische Studien mit betroffenen Frauen. Und die sind wichtig: Denn die Betrachtungsweise kann sich hier nicht allein auf die Gynäkologie verlassen, die im Praxisalltag nur Frauen mit Beschwerden erlebt. Oft wird zudem übersehen, dass der allmähliche körperliche Umstellungsprozess von Kultur zu Kultur unterschiedlich wahrgenommen wird. Und was die Wechseljahre für eine Frau bedeuten, hängt auch von ihrem Selbstwertgefühl und ihrer Lebenssituation ab. Gerade die hat sich in den letzten Jahren geändert: Viele erfahren heute um die 50 besondere Anerkennung im Beruf und erleben es als Befreiung, dass die Kinder aus dem Haus sind und das Verhütungsthema vom Tisch ist. Für Frauen können die Wechseljahre daher ein neuer Aufbruch sein, kein „Verlustalter“, sondern ein „Gewinnalter“ oder „Genussalter“, zitiert die Autorin die Psychotherapeutin Julia Onken.

Anderseits ist es keine Frage, dass unregelmäßige Blutungen, stärkere Hitzewellen oder Schlafprobleme im Alltag lästig sind. Was dahintersteckt, erklärt das Kapitel „Zyklus und Hormone“. Und was frau selbst ausprobieren kann, wird in dem Kapitel „Du bist nicht alleine …“ beschrieben. Dabei geht es etwa um den Austausch mit anderen Frauen, um Kleiderfragen (Zwiebeltechnik) und pflanzliche Präparate. Zu diesen hat GPSP allerdings eine kritischere Einstellung als die Stiftung Warentest, die aber immerhin das Fehlen von Studien anmerkt und von den pflanzlichen Präparaten mit hormonartigen Wirkungen abrät. (GPSP 2/2008, S. 13)

Bei Themen wie trockene Haut oder Schleimhäute macht der Ratgeber diverse Vorschläge zur Selbsthilfe, getreu seinem Motto: „Den eigenen Weg finden“. Bei anderen Themen, etwa Haarausfall, bewegt er sich auf heiklem Terrain und spricht sich für Hormongaben aus oder für Haarwasser mit Minoxidil, was GPSP kritisch sieht. (GPSP 5/2009, S. 16)

Sehr lesenswert ist das Kapitel „Erotik und Zärtlichkeit“, das nicht nur erklärt, was mit Scheide, Gebärmutter und Beckenboden in den Wechseljahren und danach passiert, sondern auch vermittelt, was dem Sex gut tut und was nicht. Und natürlich fehlt nicht das Kapitel Osteoporose, in dem nachzulesen ist, wie viel beziehungsweise wie wenig sie mit den Wechseljahren zu tun hat.

Was die Hormontherapie angeht, ist dieser Ratgeber aus dem Hause der Stiftung Warentest ein unerfreulicher Zwitter: Einerseits wird klar herausgearbeitet, wo die Gefahren liegen und warum zwei große Studien dazu geführt haben, dass heute – zum Glück – viel weniger Frauen wegen der Wechseljahre Hormone einnehmen. Andrerseits wird so getan, als könne die Gynäkologin oder der Gynäkologe die Hormone – Östrogene und Gestagene – individuell so dosieren, dass deren Nutzen optimal ist und die Schäden geringer sind als bei den Präparaten, die in den großen Hormontherapie-Studien untersucht wurden. (GPSP 5/2007, S. 6) Aber das ist ein Trugschluss und sitzt falscher Propaganda auf: Ob eine individuell dosierte Therapie tatsächlich Vorteile hinsichtlich der Verträglichkeit und Wirksamkeit bringt, ist keinesfalls durch große, vertrauenswürdige Studien geprüft.

Unabhängig davon kann es bei heftigen Beschwerden richtig sein, für kurze Zeit Hormone einzunehmen, wie dies Annette Bopp schreibt. Allerdings nicht, indem Frauenärzte die Hormone frei kombinieren und womöglich Gestagene im Off-Label Use verordnen, also außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete (GPSP 3/2016, S. 23). In diesem Fall haftet nämlich der Arzt oder die Ärztin für Schäden, also zum Beispiel, wenn das Gestagen niedrig dosiert ist und sich ein Gebärmutterkrebs entwickelt. Aber diesen zumindest theoretisch plausiblen Zusammenhang müsste die Betroffene dann erst einmal nachweisen können. GPSP kann den Empfehlungen des Ratgebers hier nicht folgen. Denn es gibt bisher keine sichere „individuelle“ oder „differenzierte“ Hormontherapie für die Wechseljahre, selbst wenn Firmen oder Fachgesellschaften der Gynäkologen dafür werben.

Die Hormontherapie erfährt derzeit ein bedenkliches Revival (­siehe S. 15). Davon hätte sich der Ratgeber, der ansonsten in seiner Vielschichtigkeit, Anschaulichkeit und Sprache überzeugt, stärker distanzieren müssen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2016 / S.16