Seuchen
Allen zivilisatorischen Errungenschaften zum Trotz sind Infektionskrankheiten weltweit immer noch ein brisantes Thema, sorgen für Schlagzeilen unter dem Motto „Seuchen“ und machen vielen Angst. Der Journalist Kai Kupferschmidt begibt sich auf eine Spurensuche zu den Ursachen, aktuellen Behandlungsmöglichkeiten und langfristigen Lösungen.
Sauberes Wasser und Impfungen: Sie haben das Risiko für Infektionskrankheiten in unseren Breiten zum Glück enorm vermindert. Doch weltweit kommt es immer wieder zu Krankheitsausbrüchen, die rasch viele Menschen und auch uns bedrohen. Woher kommen die gefährlichen Erreger? Warum ist es manchmal so schwierig, sie zu bekämpfen? Solchen Fragen geht der Journalist und studierte Molekularbiomediziner Kai Kupferschmidt in dem Reclam-Bändchen „Seuchen“ nach.
Wissenschaft in Geschichten
Trotz des geringen Umfangs von nur 100 Seiten schafft es der Autor, ein Panorama der Situation in Europa, aber auch weltweit zu zeichnen. Er porträtiert Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich Infektionskrankheiten widmen, und berichtet von ihrer Forschung als akribischer Detektivarbeit. Spannend erzählt der Autor von bedeutenden Krankheitsausbrüchen, etwa von Aids durch HIV oder vom Marburg-Virus, das mit afrikanischen Affen vor 50 Jahren nach Marburg in pharmazeutische Labors kam und mehrere Todesfälle verursachte.
Auch die jüngste Geschichte kommt nicht zu kurz: So nimmt der Journalist Leserinnen und Leser mit nach Westafrika auf eine Recherchereise, die er 2014 wegen der Ebola-Epidemie unternommen hat. Seine Berichte machen das Leid der Infektionskrankheiten erfahrbar und veranschaulichen, wie und warum es immer wieder zu solchen Ausbrüchen kommt.
Ursachenforschung
Wie verbreiten sich Krankheitserreger? Wie funktionieren Impfungen? Um Zusammenhänge und Hintergründe zu vermitteln, nutzt Kupferschmidt detailreiche Infokästen und Grafiken. Auch aktuelle Probleme, wie etwa zunehmende Antibiotika-Resistenzen, kommen nicht zu kurz.
„Neue Seuchen werden kommen. Ob sie zur Katastrophe werden, wird vor allem davon abhängen, was am Ende überwiegt: Empathie und Erfindungsreichtum oder Ignoranz und Egoismus.“
Der Autor bleibt nicht bei den biologischen Faktoren stehen, sondern zeigt, dass soziale und kulturelle Aspekte wichtig sind, wenn etwa bei der Ebola-Epidemie traditionelle Bestattungsrituale die Ausbreitung des Erregers begünstigen. Speziell da helfen Aufklärung und Verbote bei der Seuchenbekämpfung nur begrenzt und machen andere Ansätze nötig. Das gilt ebenso, wenn bewaffnete Konflikte die Infrastruktur einer Region zerstört haben oder sich durch verseuchtes Wasser Krankheitskeime verbreiten. Auch die Versäumnisse der Gesundheitspolitik werden kritisch beleuchtet.
Wie die Psyche mitspielt
Und schließlich spielen auch psychologische Faktoren eine Rolle: Wenn beispielsweise die Gefährlichkeit einer Infektionskrankheit nicht mehr allgemein wahrgenommen wird, weil die meisten Menschen bereits gegen sie geimpft sind, sinkt die Bereitschaft zu eben dieser Impfung. Daran können so genannte Ausrottungskampagnen, die einen Erreger aus der Welt schaffen sollen, scheitern – das erleben wir in Deutschland etwa bei den Masern.
Kurzweilig und anschaulich
Wer nach der Lektüre dieses Bändchens neugierig geworden ist und mehr wissen möchte, findet im Anhang eine kleine Auswahl weiterführender Literatur.
Stand: 2. Juli 2018 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2018 / S.23