Bärentraubenblätter gegen Blasenentzündung?
Was tun bei einer unkomplizierten Blasenentzündung? Nicht immer muss es ein Antibiotikum sein. Vielleicht dann besser etwas Pflanzliches? Beworben werden dafür zum Beispiel Extrakte aus Bärentraubenblättern. Deren Nutzen ist jedoch nicht gut belegt.

Frauen kennen das Problem meist nur zu gut: Blasenentzündungen. Betroffene müssen sehr oft zur Toilette, es brennt und schmerzt beim Wasserlassen. Bei unkomplizierter Blasenentzündung verschwinden die Beschwerden allerdings bei etwa 30 bis 50 von 100 erkrankten Frauen innerhalb einer Woche von allein. In solchen Fällen hilft ausreichend trinken. Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol können die Symptome lindern. Antibiotika sind nicht immer nötig. Sinnvoll sind sie aber, wenn sich die Beschwerden nicht innerhalb von wenigen Tagen deutlich verbessern, stärker werden, Fieber oder Schmerzen in der Nierengegend hinzukommen.1
Besserung mit Pflanzenkraft?
Allerdings gibt es auch einige pflanzliche Mittel, die bei Blasenentzündung helfen sollen. Oft angepriesen: Extrakte aus Bärentraubenblättern, die als Tabletten seit Jahrzehnten rezeptfrei in Apotheken verkauft werden. Die Belege für den Nutzen bei Blasenentzündungen sind allerdings äußerst dürftig. Zu diesem Ergebnis ist auch die europäische Zulassungsbehörde EMA in der Heilpflanzen-Monografie für Bärentraubenblätter gekommen, die sich sowohl auf Tees als auch auf Extrakte bezieht. Neuere Präparate sind deshalb nur aufgrund der langjährigen Erfahrungen als „traditionelle Arzneimittel“ registriert. Allerdings gibt es in Deutschland auch noch ältere „echte“ Arzneimittel, die nach niedrigeren Standards als heute üblich zugelassen wurden.
Neue Studie, gleiches Ergebnis
Dass Bärentraubenblätter keine gute Behandlungsoption sind, bestätigt zudem eine aktuelle herstellerunabhängige Studie in deutschen Hausarztpraxen.2 Dabei wurden 398 Frauen mit unkomplizierter Blasenentzündung innerhalb von drei Tagen nach Beginn der Beschwerden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die Teilnehmerinnen der einen Gruppe bekamen fünf Tage lang Bärentraubenblätterextrakt und nur dann ein Antibiotikum, wenn sich die Beschwerden nicht besserten oder schlimmer wurden. Die anderen erhielten sofort ein Antibiotikum. Alle Patientinnen und die Studienverantwortlichen wussten nicht, wer zu welcher Gruppe gehört. Untersucht werden sollte, ob die anfängliche Gabe des pflanzlichen Mittels den Gebrauch von Antibiotika reduzieren kann, ohne dass dadurch mehr Beschwerden oder gar Komplikationen auftreten.
Mehr Beschwerden und Komplikationen
Die mit dem Extrakt behandelten Frauen bekamen zwar weniger Antibiotika, litten allerdings unter mehr Beschwerden und brauchten häufiger Schmerzmittel als die Frauen, die gleich ein Antibiotikum nahmen. Außerdem gab es Hinweise, dass möglicherweise mehr Komplikationen wie eine Nierenbeckenentzündung vorkommen können. Ob Bärentraubenblätter besser helfen als ein Placebo, wurde in der vorliegenden Studie nicht getestet. Eine ältere Studie hatte keinen Unterschied zwischen dem pflanzlichen Mittel und einem Scheinpräparat finden können.
Der Extrakt enthält als wichtigen Inhaltsstoff Arbutin. Eins seiner Abbauprodukte wirkt in Tierversuchen krebserregend und erbgutverändernd. Unklar ist es, ob das auch bei Menschen möglich sein könnte. Kurzfristige Studien bestätigten den Verdacht nicht, Langzeituntersuchungen fehlen jedoch.
Stand: 3. Februar 2022 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2022 / S.13