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Auf runden Wabbelsohlen: Massai-Mythos contra Kreuzschmerz?

Rückenschmerzen – wer kennt sie nicht. Sie haben vielfältige Ursachen, und oft ist ihnen schwer beizukommen. Entsprechend variabel sind die Behandlungsversuche. Sie reichen von Wärmeanwendungen, Massage, Krankengymnastik, Verhaltenstherapie und Medikamenten bis zu Operationen. Neuerdings soll spezielles Schuhwerk bei chronischen Kreuzschmerzen helfen. Was bringen die teuren Schuhe mit der so genannten Massai-Barfuß-Technologie (MBT)?

Die Werbung für MBT-Schuhe erweckt Hoffnungen. Sie sollen helfen, Schmerzen im unteren Rücken zu reduzieren, so die Massai Marketing & Trading AG, kurz MBT, im Internet.1

Die Firma hat sich allerlei überlegt, um ihre Schuhe interessant zu machen: MBT-Treter haben eine in der Laufrichtung abgerundete Sohle. Ein eingearbeitetes Fersenweichteil wird als „Massai-Sensor“ bezeichnet. Aufgrund der absichtlich weich und wabbelig gearbeiteten Schuhkonstruktion2 haben die Füße nicht den gewohnten Halt auf dem Boden.

Mit dem Barfußlaufen der Massai in der afrikanischen Savanne haben MBT-Schuhe allerdings nichts zu tun: Wer barfuß läuft, erkennt Unregelmäßigkeiten des Untergrundes mit dem Fuß und passt seinen Schritt und Ausgleichsbewegungen automatisch an. Gerade dies ist bei MBT-Schuhen nicht möglich. Den Namen Massai-Barfuß-Technologie betrachten wir daher als irreführende Werbebezeichnung. Aufgrund der konstruktionsbedingten Instabilität und der stärker abrollenden Fußbewegung, die man einüben muss, eignen sich die Treter allenfalls für ebenen Boden und nicht für unebenes Gelände, auf dem die Gefahr von Stürzen steigen dürfte. Möglich erscheint uns zudem, dass das Schuhwerk für Menschen mit Gelenk-beschwerden etwa durch Meniskusverletzungen sogar schädlich ist.

©Thomas Kunz

Nach Behauptung der Anbieter sollen MBT-Schuhe durch die konstruktionsbedingte Instabilität dafür sorgen, dass im Stehen und Gehen das Gleichgewicht trainiert und Muskeln gestärkt werden. Das soll sich positiv auf Schmerzen im unteren Rückenbereich auswirken. Ob dies zutrifft, haben kürzlich Wissenschaftler überprüft. Nach Zufallszuteilung erhielten 115 Personen mit chronischen Kreuzschmerzen entweder MBT-Schuhe oder normale Schuhe mit flacher Sohle. Die sollten sie jeden Tag mindestens zwei Stunden lang tragen. Zudem absolvierten sie – abgestimmt auf ihre Schuhe – viermal im Abstand von jeweils einer Woche ein Übungsprogramm für korrekte Geh- und Stehtechniken. Nach sechs Wochen, sechs Monaten und zwölf Monaten wurde per Fragebogen erhoben, ob und wie sich die Schuhe auf Beschwerden wie Kreuzschmerzen ausgewirkt hatten.

Das Fazit der Autoren: MBT-Schuhe lindern Rückenschmerzen offenbar nicht besser als Schuhe mit flachen Sohlen. Bei Personen, deren Kreuzschmerzen beim Stehen oder Gehen zunehmen, haben flache Sohlen sogar eher Vorteile. Sowohl nach sechs als auch nach zwölf Monaten äußerten sich die Teilnehmer, die Schuhe mit flacher Sohle trugen, zufriedener als diejenigen mit MBT-Schuhen.3

Aus der Studie lassen sich somit keine medizinisch begründeten Argumente ableiten, die eher teuren und bisweilen klobig aussehenden Schuhe mit spezieller Rundsohle anzuschaffen. Teures Schuhwerk zu entwerfen, es mit nicht erwiesenen gesundheitlichen Vorteilen zu bewerben und sich eine Produktphilosophie auszudenken, die sich an die idealisierten Massai anhängt, ordnet GPSP der Quacksalberei zu (vgl. GPSP 6/2006, Seite 6).

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2014 / S.09