Erkältungskrankheiten
Gerade noch gesund und fit, spüren wir auf einmal ein leichtes Kratzen im Hals, bald kommen Schnupfen, Niesen und vielleicht noch Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Husten und Fieber dazu – es hat uns erwischt: Wir sind erkältet. Was führt zu einer Erkältung, was können wir dagegen tun?
Welche Medikamente helfen uns bei einer Erkältung tatsächlich und wann sollten wir nach ärztlichem Rat fragen, um Komplikationen zu vermeiden? Diese Fragen stellt sich wohl jeder von Zeit zu Zeit. Wer gut informiert ist, kann sich schneller und wirksamer helfen, spart die Ausgaben für heiß umworbene aber sinnlose Medikamente und sucht im Fall des Falles rechtzeitig den Arzt auf.
Was ist überhaupt eine Erkältung?
Erkältungskrankheiten haben wenig mit Kälte zu tun. Es handelt sich um Entzündungen der Nasen- und Rachenschleimhaut, die auf einer Infektion durch Viren beruhen. Greift eine größere Menge von Viren die Schleimhäute an, dann entzünden sie sich, schwellen an, schmerzen und sondern ein Sekret ab. Reicht die Infektion bis in die Verästelungen der Lunge (Bronchien), erzeugt das einen Hustenreiz. Vor allem wenn die Schleimhäute durch Kälte, Staub oder Zigarettenrauch vorgeschädigt sind, haben die Viren ein leichtes Spiel und vermehren sich rasch.
In der kalten Jahreszeit halten wir uns häufiger dicht beieinander in schlecht gelüfteten Innenräumen auf. Dann können die Viren und Bakterien sich leicht verbreiten und viele Menschen infizieren. Man spricht in Fachkreisen auch nicht von „Erkältung“, sondern von einer „Infektion der oberen Luftwege“ oder von einem „grippalen Infekt“.
Die Behandlung ist darauf ausgelegt, die Beschwerden zu lindern, den Krankheitsverlauf möglichst zu verkürzen und Komplikationen zu verhindern. Eine leichte Infektion wird anders behandelt als eine schwere. Daher ist es wichtig, einzuschätzen, wie stark die Erkrankung ausgeprägt ist.
Leichte Erkältung:
Die am häufigsten auftretende Verlaufsform geht mit Schnupfen, Halsschmerzen, Heiserkeit, Husten, leichten Kopfschmerzen und geringem Krankheitsgefühl einher.
Gegen die „Erkältungsviren“ gibt es keine Medikamente, die nachweislich den Krankheitsverlauf abkürzen. Der Volksmund sagt daher treffend: Ohne Medikamente dauert die Erkältung sieben Tage, mit Medikamenten eine Woche. Der Körper kann sich in der Regel gut selbst helfen und die Viren bekämpfen – wenn man ihm eine Chance lässt und sich schont. Ein Arztbesuch ist meist nicht notwendig, es sei denn, man hat engeren Kontakt zu vielen anderen Menschen und möchte sich, zu deren Schutz, krank schreiben lassen.
- Körperliche Anstrengungen, z.B. Sport, sollten Sie ebenso vermeiden wie Stress. Nehmen Sie ein warmes Bad und schonen Sie sich. Dies kann helfen, Ihre Körperabwehr zu aktivieren, damit Sie schneller gesund werden.
- Schonen Sie Ihre Schleimhäute. Verzichten Sie möglichst auf das Rauchen und meiden Sie verrauchte Räume. Auch sehr kalte oder trockene warme Luft reizt die Schleimhäute. Mit Inhalationen von Wasserdampf können Sie Ihre Atemwege einfach und preiswert anfeuchten.
- Wenn Sie mehr schwitzen als üblich, ist es wichtig, genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Trinken Sie reichlich Wasser oder verdünnte Obstsäfte. Beliebte Hausmittel sind heiße Milch mit Honig, heiße Zitrone oder ein Tee – je nach Geschmack.
- Schmerz- und Fiebermittel mit Wirkstoffen wie Acetylsalicylsäure (siehe S.6), Paracetamol und Ibuprofen kürzen die Krankheitsdauer nicht ab, lindern aber Kopfschmerzen und Fieber und damit das Krankheitsgefühl. Wenn die Beschwerden unterdrückt werden, fühlt man sich bisweilen trotz der Erkrankung so gut, dass man sich nicht mehr schont. Also Vorsicht! Unterdrücken Sie das Krankheitsgefühl nicht zu sehr durch einen zu großzügigen Umgang mit diesen Medikamenten. Nebenwirkungen können vorkommen, wie z.B. eine Reizung der Magenschleimhaut mit Magenschmerzen. Kinder und Jugendliche sollten nur Paracetamol einnehmen, da Acetylsalicylsäure bei ihnen sehr selten akute lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen kann.
- Kombinationsarzneimittel zum Einnehmen: In Deutschland sind Kombinationsarzneimittel beliebt, die ein Schmerzmittel und ein Schleimhaut-abschwellendes Mittel enthalten (z.B. in Aspirin Complex®) oder zusätzlich ein Hustenreiz-linderndes Mittel (z.B. in Wick Daymed®) oder als vierten Bestandteil sogar noch ein antiallergisch wirkendes Mittel (z.B. in Wick Medi-nait®). Die erwünschten und unerwünschten Wirkungen solcher Vielfachkombinationen sind schwer kalkulierbar. Lästige Symptome lassen sich besser gezielt und symptomgerecht durch Einstoffpräparate dämpfen, also durch abschwellende Nasentropfen bei behinderter Atmung und/oder Schmerztabletten bei Fieber und Gliederschmerzen. Auch schwellen die Nasenschleimhäute durch Nasentropfen rascher und zuverlässiger ab als durch die innerliche Einnahme der Wirkstoffkombinationen. Oft ist auch der eine oder andere Bestandteil der Mischpräparate überflüssig. Die Produkte werden daher salopp „Schrotschusskombinationen“ genannt, weil einer der Bestandteile das eine oder andere Symptom „treffen“ mag. Die in Kombinationsarzneimitteln enthaltenen antiallergisch wirkenden Stoffe machen müde, ein Effekt, der – außer bei Einnahme zur Nacht – unerwünscht ist.
- Nasentropfen oder Nasensprays, beispielsweise mit dem Wirkstoff Xylometazolin (siehe Seite 6), können bei einer verstopften Nase hilfreich sein. Sie sorgen dafür, dass die Nasen- und Rachenschleimhaut abschwillt. Das erleichtert die Nasenatmung und verringert das ständige Herunterlaufen von Sekret in die Bronchien. Nasentropfen helfen deshalb, das Risiko von Entzündungen der Nasennebenhöhlen, des Mittelohres und der Bronchien zu senken. Ein kurzfristiger Gebrauch führt zu keiner Schädigung der Schleimhäute, wenn man die richtige Dosierung beachtet. Insbesondere bei Überdosierungen (zu viele Tropfen) können Blutdruck und Puls ansteigen. Ein Gebrauch über mehr als zwei Wochen hinweg kann zu einer Gewöhnung an die Nasentropfen führen und langfristig sogar die Nasenschleimhaut schädigen.
Äußerste Zurückhaltung mit Nasentropfen gilt deshalb für Säuglinge und Kleinkinder. Falls nötig, verwenden Sie hier ausschließlich Produkte mit niedriger Wirkstoffkonzentration.
- Lutschtabletten oder Gurgelmittel gegen Halsschmerzen sind beliebt, allerdings wenig nützlich. Solche Mittel erreichen nur die Oberfläche der Schleimhäute, die Infektion spielt sich jedoch in der Tiefe der Gewebe ab. Halsschmerzmittel, die antibiotisch wirkende Stoffe wie Tyrothricin oder Desinfektionsmittel enthalten, sind fehl am Platz. Linderung der Beschwerden können bereits normale Bonbons, beispielsweise mit Eukalyptusaroma verschaffen. Achtung: zuckerfreie Bonbons enthalten Zuckerersatzstoffe, die bei reichlichem Lutschen Magenbeschwerden verursachen können.
- Hustentropfen sind in der Regel nicht erforderlich.
- Vitamin C-Präparate erwiesen sich in großen, sorgfältig angelegten Studien als nicht wirksam zur Verhütung und Behandlung von Erkältungskrankheiten. Dennoch werden aufwändige Werbekampagnen für Vitamin C inszeniert. Diese sollen das positive Image, das Vitamine genießen, bei den häufig vorkommenden Erkältungskrankheiten in klingende Münze umwandeln. Es werden viele Versprechungen gemacht, die bei genauer Betrachtung nicht eingehalten werden.
- Ob Echinacea-Extrakt die Abwehrkräfte stärkt oder ob Umckaloabo® hilft, ist Glaubenssache. Es gibt keine überzeugenden wissenschaftlichen Studien, die eine Wirksamkeit belegen. Trotzdem schwören manche Menschen auf diese Mittel. Sie fühlen sich wohler, wenn sie derartige Präparate nehmen. Man nennt das „Placeboeffekt“. Bei Einnahme von Echinacea-Extrakten und anderen pflanzlichen Mitteln treten allerdings mitunter Unverträglichkeiten und Allergien auf. Der hohe Alkoholgehalt von Umckaloabo®– und Echinacea-Lösungen ist sowohl für Kinder als auch für trockene Alkoholiker problematisch.
- Zinkpräparate waren eine Zeit lang zur Behandlung von Erkältungskrankheiten in aller Munde. Ein günstiger Effekt ließ sich jedoch in wissenschaftlichen Untersuchungen nicht belegen, so dass wir von Zinkpräparaten abraten.
- Antibiotika wirken gegen Bakterien. Da eine leichte Erkältung durch Viren ausgelöst wird, sind Antibiotika hier unwirksam und fehl am Platz.
Schwere Erkältung:
Gelegentlich kommt es im Rahmen der Erkältung zu einer ausgeprägten Abgeschlagenheit mit schwerem Krankheitsgefühl, Fieber über 38,5° C, starken, hartnäckigen Kopf- oder Ohrenschmerzen. Eventuell entsteht ein anhaltender Husten.
Jetzt ist ein Besuch bei der Hausärztin oder dem Hausarzt ratsam. Durch einfache, unbelastende Untersuchungen von Rachen, Nasennebenhöhlen, Ohren und Lunge lassen sich möglicherweise drohende Komplikationen erkennen. So können Sie sich vergewissern, ob ihre Selbstdiagnose stimmt oder ob sich eine ganz andere Erkrankung hinter den Beschwerden verbirgt. Ärztlicher Rat ist besonders dann erforderlich, wenn Sie an Lungenemphysem, Zuckerkrankheit, Herzschwäche oder anderen schwerwiegenden Erkrankungen leiden. So kann dafür gesorgt werden, dass sich diese während der Zeit der Erkältung nicht verschlimmern.
- Hustenblocker: Husten ist ein Schutzreflex, der die Atemwege von Schleim und Fremdkörpern befreit. Nicht abgehusteter Schleim kann kleine Verästelungen der Lunge verschließen und Lungenentzündungen begünstigen. Im Gegensatz zum trockenen, quälenden Reizhusten hat der Husten mit Auswurf, der „produktive Husten“, also eine reinigende Funktion. Bei Reizhusten, aber auch wenn Sie nachts wegen eines mäßig produktiven Hustens nicht schlafen können, kann ein Hustenblocker große Erleichterung verschaffen. Hustentropfen zur Dämpfung von quälendem Reizhusten enthalten oft Codein und Alkohol. Codein ist chemisch verwandt mit Opium (Morphin) und daher verschreibungspflichtig. Ohne Rezept erhältliche Hustensäfte enthalten keine von Opium abgeleitete Wirkstoffe. Für sie gibt es allerdings nur unbefriedigende wissenschaftliche Nachweise der Wirksamkeit.
- Acetylcystein und bromidhaltige Sekretlöser sollen dazu dienen, zähen Schleim zu lockern. Eine bedeutende Verkürzung der Krankheitsdauer ist durch solche Hustenlöser nicht zu erwarten. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten dafür nicht. Wir empfehlen die Zufuhr von genügend Flüssigkeit, was hilft, den zähen Schleim zu lösen.
- Antibiotika: Wenn Schleimhäute durch Viren vorgeschädigt sind, werden sie leichter auch durch Bakterien angegriffen. Das Krankheitsbild der Erkältung verschlimmert sich dann. Schüttelfrost und ein weiterer Anstieg des Fiebers können Anzeichen für eine Infektion mit Bakterien sein. Die Körpertemperatur steigt vor allem abends über 38,5° C. Der Schleim wird gelb-grünlich, also eitrig. Treten nun Schmerzen im Bereich der Wangenknochen oder der Stirn auf, kann sich eine Kieferhöhlen- oder Stirnhöhlenentzündung gebildet haben. Geht der Husten mit starker Schleimbildung einher und der Schleim wird grünlich, muss ein Arzt die Lunge abhören, um eine Lungenentzündung auszuschließen. Bei Ohrenschmerzen sieht sich der Arzt die Trommelfelle mit einem Ohrenspiegel („Ohrentrichter“) an, um einen ungefährlichen Tubenkatarrh von einer akuten Mittelohrentzündung zu unterscheiden. Zum Glück sind solche schweren Verläufe nicht all zu häufig (10-20% der schweren Erkältungen). Besonders wichtig ist der Arztbesuch auch, wenn sich Halsschmerzen verschlimmert haben und die Rachenmandeln aufgrund einer bakteriellen Infektion eitrig angeschwollen sind (Streptokokken-Angina). Jetzt muss der Arzt ein Antibiotikum verordnen, um Spätfolgen der Streptokokken-Infektion (z.B. rheumatisches Fieber) zu verhindern. Hier nur auf Halsschmerzmittel zu vertrauen wäre daher gefährlich. Die Hausärztin oder der Hausarzt entscheidet sich dann je nach Schweregrad der Erkrankung, Begleiterkrankungen, Medikamentenunverträglichkeiten und Alter des Patienten für ein spezielles Antibiotikum. Die Behandlung wird nach eingetretenem Erfolg und Fieberabfall noch zwei bis drei Tage fortgesetzt und dauert insgesamt etwa fünf bis sieben Tage, selten länger. Vor allem kommen Penicilline, Cephalosporine und Makrolide wie Erythromycin in Frage. Andere Antibiotika sollten nur ausnahmsweise angewendet werden.
Erkältung mit eventuell bedrohlichen Komplikationen:
Die Virusgrippe (Influenza) verläuft meist als hochfieberhafte Erkrankung mit Gelenkbeschwerden und erheblichem allgemeinen Krankheitsgefühl. Bei älteren Menschen oder bei schweren Grunderkrankungen nimmt die Infektion häufig bedrohliche Verläufe und komplizierend treten Lungenentzündungen und andere, mitunter tödliche Komplikationen hinzu. Hat die Hausärztin oder der Hausarzt den Verdacht, dass die „echte Virusgrippe“ die Ursache für die Beschwerden ist, so kann am Anfang der Erkrankung eine Behandlung mit speziellen Medikamenten, den sogenannten Virustatika (z.B. Oseltamivir, Tamiflu®), versucht werden. Sie können, wenn sie gleich zu Beginn der Erkrankung eingenommen werden, den Krankheitsverlauf etwas verkürzen. Virustatika sind bei Patienten ohne weitere Erkrankungen nicht unbedingt erforderlich. Anders sieht es aus bei schweren Begleiterkrankungen; dann übernimmt die Kasse auch die Kosten für die Behandlung mit Virustatika. Bisher fehlen allerdings die Nachweise, dass Mittel wie Oseltamivir Grippekranke mit Risikofaktoren (z.B. Alter über 65 Jahren, chronische Herz- oder Atemwegserkrankungen) vor Komplikationen schützen.
Wenn ein „grippaler Infekt“ rasch einen bedrohlichen Verlauf nimmt und hohes Fieber über 40° C, mehr als 20 Atemzüge pro Minute oder Benommenheit, heftige Kopfschmerzen oder Gesichtsschwellungen auftreten, dann sollte Ihr Hausarzt umgehend kommen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind Bakterien die Verursacher dieses schweren Krankheitsbildes und eine sofortige Behandlung mit Antibiotika ist erforderlich. Wenn sich bereits schwere Komplikationen wie Lungenentzündung oder sogar Hirnhautentzündung eingestellt haben, ist eine Einweisung ins Krankenhaus notwendig.
Vorsorge gegen Virusgrippe
Durch eine rechtzeitige Grippeimpfung, kann das Risiko, eine „echte Grippe“ zu bekommen, erheblich reduziert werden (Schutzrate zwischen 40% und 80%). Daher sollten sich alle, die älter als 60 Jahre sind, Menschen mit chronischen Leiden (von Herz, Nieren und Atemwegen sowie Stoffwechselerkrankungen u.a.), Heimbewohner und Krankenhauspersonal jährlich gegen Grippe impfen lassen. Auch wer besonders viel Kontakt mit anderen Personen hat (z.B. Kassierer/innen, Lehrer/innen), sollte eine Impfung erwägen. Obwohl die Grippeimpfung von den Krankenkassen bezahlt wird, machen zu wenig Menschen in Deutschland Gebrauch von Impfangebot.
Dieser Artikel kann als „Patientenbrief” zur Verwendung in der Arztpraxis oder Apotheke beim Verlag angefordert werden. (50 Ex. 25 7)
Stand: 1. Oktober 2005 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2005 / S.04