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Wachsende Bedenken gegen Wachstumshormon

Lebensverkürzende Wirkung?

Kindern, die für ihr Alter viel zu klein sind, kann die Behandlung mit Wachstumshormon helfen. Sie können dadurch der durchschnittlichen Größe ihrer Altersgruppe näher kommen. Die Therapie ist jedoch mit Gefahren verbunden, deren Ausmaß nur schwer abschätzbar ist. Jetzt gibt es neue Hinweise auf mögliche Risiken.

Wachstumshormon ist eine körpereigene Substanz, die von der Hirnanhangdrüse gebildet wird. Wird das Hormon in zu geringen Mengen ausgeschüttet, wächst ein Kind weniger als Gleichaltrige. In dieser Situation kann Wachstumshormon, das gentechnisch hergestellte Somatropin, gespritzt werden (z.B. Humatrope® oder Omnitrope®). Es wirkt jedoch nicht nur auf das Größenwachstum, sondern greift in verschiedene Stoffwechselvorgänge ein. Und hierin liegt wahrscheinlich ein Problem. Schon seit Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Wachstumshormon das Risiko vorzeitig zu sterben erhöhen könnte, beispielsweise bei Schwerkranken oder bei Kindern mit der seltenen angeborenen Erkrankung Prada-Willi-Syndrom. Diese geht mit ausgeprägter Muskelschwäche, verzögerter geistiger Entwicklung und Übergewicht einher.

Jetzt gibt es ein neues Risikosignal aus Frankreich. Dort werden seit Jahren Kinder, die mit Wachstumshormon behandelt wurden, in einem Register erfasst In einer noch laufenden Studie wird derzeit der Gesundheitsstatus von diesen Franzosen ermittelt, die zwischen 1985 und 1996 Wachstumshormon bekommen haben. Die Daten von 7.000 inzwischen jungen Erwachsenen sind bislang ausgewertet. Das auffällige Ergebnis: 93 sind schon verstorben, das sind 23 (30%) mehr als in dieser Altersgruppe zu erwarten wäre. Der französischen Arzneimittelbehörde zufolge besteht das Risiko früh zu sterben insbesondere für Kinder, die mit sehr hohen Dosierungen behandelt wurden. Ungewöhnlich häufig ist es zu tödlichen Folgen durch Komplikationen am Herz- und Gefäßsystem einschließlich Hirnblutungen sowie zu Knochentumoren gekommen.

Ob die beobachtete Zunahme von Todesfällen tatsächlich auf das Wachstumshormon zurückzuführen ist, lässt sich mit einer rückblickenden Studie wie dieser jedoch nicht zuverlässig belegen. Der Einfluss anderer Faktoren kann nicht ausgeschlossen werden. Allerdings lässt sich die Beobachtung eines besonderen Risikos mit den Wirkungen von Wachstumshormon vereinbaren, da das Hormon nicht nur die Körpergröße, sondern auch die Ausschüttung von körpereigenen Substanzen fördert, die Zellen zur Teilung anregen. Auch wirkt es auf verschiedene Stoffwechselvorgänge. In Europa und in den USA sichten die Behörden jetzt den aktuellen Kenntnisstand. Derzeit sehen sie keine Notwendigkeit, den Gebrauch von Wachstumshormon einzuschränken. Sie mahnen allerdings, das Hormon nur im Rahmen der zugelassenen Anwendungsbereiche zu verwenden und nicht zu hoch zu dosieren.1,2

Damit verbietet es sich beispielsweise als Doping- oder „Anti-Aging“- Mittel (GPSP 4/2007, S. 1-2). Die französische Arzneimittelbehörde empfiehlt zudem, Kleinwüchsigkeit vorsichtshalber nur dann hormonell zu behandeln, wenn von einem erheblichen Nutzen auszugehen, Mangel an Wachstumshormon nachgewiesen3 und das Kind viel zu klein für sein Alter ist.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2011 / S.06