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Alert sand crab on beach, southern Africa

Mit Acetylsalicylsäure gegen Krebs?

Wenn vorbeugen so einfach wäre

Acetylsalicylsäure soll das Krebsrisiko verringern. Diese Botschaft kursierte in den vergangenen Wochen in den Medien. Gesunden raten wir trotz der jüngsten Erkenntnisse nicht dazu, Acetylsalicylsäure zum Schutz vor Krebs einzunehmen. Wir sagen warum. Seit Jahren wird diskutiert, ob Acetylsalicylsäure (ASS; Aspirin® und Generika) die Häufigkeit von Darmkrebs verringern kann. Die Studienergebnisse sind jedoch widersprüchlich. Ende 2010 erschienen nun zwei Veröffentlichungen, in denen bereits vorliegende Untersuchungen für diese Fragestellung systematisch neu ausgewertet worden sind.

Die erste dieser so genannten Metaanalysen umfasst vier aussagekräftige Langzeitstudien mit Acetylsalicylsäure (ASS). Diese hatten geprüft, ob ASS vor einem erneuten Herzinfarkt oder Schlaganfall schützt. Die Autoren stellen fest: Ältere Patienten, die etwa sechs Jahre lang täglich zwischen 75 mg und 300 mg ASS eingenommen hatten, erkrankten seltener an Dickdarmkrebs als Patienten, die ebenso lange ein Placebo geschluckt hatten.

Auch das Risiko, im Beobachtungszeitraum an Dickdarmkrebs zu sterben, war bei ASS geringer.1 Dieselbe Forschergruppe untersucht in einer zweiten Analyse den Einfluss von niedrig dosierter ASS auf andere Krebsarten. In den insgesamt acht Studien hatten die Patienten ASS wiederum eigentlich zur Herz-Kreislauf-Prophylaxe eingenommen. Das Ergebnis: Die Einnahme von ASS über mindestens fünf Jahre verringerte beispielsweise auch Krebserkrankungen des Magen-Darm-Traktes, der Lunge und der Vorsteherdrüse (Prostata).2

Die Ergebnisse erscheinen schlüssig. Dennoch raten wir Gesunden nicht, vorbeugend ASS einzunehmen, um sich vor Krebs zu schützen. Denn die neu ausgewerteten Studien beschäftigten sich nur mit einem bestimmten Personenkreis: Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen, also etwa nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Für diese Patienten ist ASS sinnvoll, das heißt, der Nutzen ist größer als die Nebenwirkungen, etwa Blutungen. Wenn ASS nicht nur vor einem erneuten Herz-Kreislauf-Ereignis schützt (Sekundärprophylaxe), sondern auch zusätzlich das Risiko mindert, an Krebs zu erkranken, wäre das eine gute Botschaft. Das Abwägen von Nutzen und Schaden fällt jedoch anders aus, wenn gesunde Menschen ASS lediglich einnehmen, weil sie sich ein geringeres Krebsrisiko erhoffen. Die neuen Erkenntnisse lassen sich auf diese Personengruppe nicht übertragen.

In den erwähnten Metaanalysen wurden die Nebenwirkungen von ASS (beispielsweise die sehr seltenen schweren Blutungen und Schlaganfälle) nicht ausgewertet. Diese Risiken müssen jedoch besonders bei Gesunden berücksichtigt und gegen den möglichen positiven Einfluss auf Krebserkrankungen aufgerechnet werden. Dies gilt im Übrigen auch für die Primärprävention im Herz-Kreislauf-Bereich, wenn also Gesunde ASS einnehmen, um einem ersten Herzinfarkt oder Schlaganfall vorzubeugen.

Auch in dieser Situation ist nicht genügend gesichert, ob der Nutzen einer vorbeugenden Einnahme von ASS größer ist als der mögliche Schaden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2011 / S.03