Malariamittel in der Kritik: Vorbeugen mit Lariam® ist out
In den 1970er Jahren entwickelte das US-amerikanische Militär den Wirkstoff Mefloquin. Anschließend vermarktete der Roche-Konzern diesen als Lariam® zur Vorbeugung und Behandlung der Malaria. Er fand weltweit rasch Verbreitung, zumal in einigen Ländern Resistenzen gegen bisher übliche Malariamittel zunahmen – das heißt, manchem Erreger der Malaria konnten die „alten“ Mittel nichts mehr anhaben. Außerdem ist die nur einmal wöchentliche Einnahme von Mefloquin zur Vorbeugung bequem. Aber die Risiken des Mittels sind hoch.
Bereits in den ersten klinischen Studien waren unerwünschte Wirkungen wie Schwindel und Verwirrtheit aufgefallen. Und in den Folgejahren wurde immer deutlicher, wie stark Mefloquin Nervensystem und Psyche beeinträchtigen kann (GPSP 4/2011, S. 8, 3/2013, S. 10). Sehr häufig kommen Albträume und Schlafstörungen vor. Häufig leiden Menschen, die sich mit Mefloquin vor Malaria schützen wollen, unter Angst, Depression, Schwindel oder Kopfschmerzen bei ihrem Tropenaufenthalt. Sogar mit Halluzinationen, Panik, Psychose und Selbstmordgedanken muss gerechnet werden.
Vor gut zehn Jahren gab daher der medizinische Informationsdienst arznei-telegramm den Rat, dass Reisende in ihre Personaldokumente einen – am besten englischsprachigen – Hinweis legen sollten, dass sie Mefloquin einnehmen. Dies sollte die Chance erhöhen, dass Depression, Psychose und Selbsttötungstendenzen auf Fernreisen als möglicherweise arzneimittelbedingt erkannt werden.1 Erst vor wenigen Wochen ist Roche diesem Vorschlag nachgekommen und stellt nun einen Patientenpass zur Verfügung. Ärzte sollen ihn Reisenden mitgeben, die Mefloquin einnehmen. In den Patientenpass werden auch Name und Telefonnummer des verordnenden Arztes und von Angehörigen eingetragen.2,3,4
Außerdem hat Roche Ärzten jetzt in einem Rote-Hand-Brief mitgeteilt, dass Mefloquin auf keinen Fall verordnet werden darf, wenn in der Vorgeschichte des Reisenden bereits Angst, Depression, Selbsttötungsgedanken oder generell irgendeine psychische Erkrankung aufgetreten ist. Reaktionen wie Angst und Halluzinationen können jedoch auch bei Gesunden vorkommen, für die laut Beipackzettel Mefloquin kein besonderes Risiko darstellt (die also keine Gegenanzeigen haben).3
Sollten sich solche Symptome während der Malariaprophylaxe mit Mefloquin abzeichnen, muss das Medikament sofort abgesetzt werden. Dennoch können die Beschwerden anhalten, weil der Wirkstoff lange im Körper verbleibt. Roche schreibt in der deutschen Produktinformation, dass unerwünschte Wirkungen einige Wochen oder Monate lang nach Absetzen bestehen bleiben können. Das scheint nur die halbe Wahrheit zu sein. Die US-amerikanischen Produktinformationen für Mefloquin klingen deutlich alarmierender: Diesen zufolge können unerwünschte Effekte wie Schwindel, Gleichgewichtsstörungen oder Tinnitus über Monate und sogar Jahre nach Absetzen andauern oder gar nicht mehr weggehen.3
Wegen solcher Spätfolgen und den übrigen häufigen und ebenfalls unangenehmen unerwünschten Effekten halten wir Mefloquin, das leider noch immer zur Vorbeugung einer Malariaerkrankung empfohlen wird, für nicht akzeptabel. Als Alternativen kommen zur Vorbeugung das – allerdings teure – Atovaquon plus Proguanil (Malarex®, Malarone®) sowie das in Deutschland nicht zur Malariaprophylaxe zugelassene Antibiotikum Doxycyclin infrage. Dieser Wirkstoff wird sowohl von der Weltgesundheitsorganisation WHO als auch von der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und internationale Gesundheit (DTG) empfohlen.3
Stand: 1. Dezember 2013 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2013 / S.08