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Kolostrum: Werbung und Wahrheit

Kolostrum- oder Colostrum-Produkte sollen die Immunabwehr des Körpers steigern können. Beworben werden die Mittel insbesondere für Patienten mit eingeschränkter Abwehrsituation, wie sie oft während Krebsbehandlungen auftritt. Es gibt aber es keinen wissenschaftlichen Beweis für eine verbesserte Immunabwehr durch die teuren, selbst zu zahlenden Produkte.

Als Kolostrum, Vormilch oder Erstmilch wird das Sekret der Milchdrüsen bezeichnet, das in den ersten Stunden bis Tagen nach der Geburt austritt. In Deutschland enthalten Kolostrum- Produkte in der Regel die Erstmilch von Kühen.

In der Tat weist diese Erstmilch kurz nach der Kalbung einen relativ hohen Gehalt an Immunglobulinen und einigen anderen Botenstoffen auf. Immunglobuline gehören zu den körpereigenen Abwehrstoffen, die für das unreife Immunsystem des Neugeborenen wichtig sind. Das ist aber schon alles, was sich als Argument für den Kauf von Kolostrum- Produkten sagen lässt. Die wissenschaftliche Literatur enthält keine Studie, die eine günstige Wirkung bei Patienten mit einer Abwehrschwäche nachweist.

Das ist auch nicht verwunderlich: Immunglobuline sind große Eiweiße, die beim Erwachsenen im Magen zersetzt werden und daher nicht als intakte und funktionsfähige Moleküle in den Blutkreislauf gelangen.

Selbst die Kolostrum-Anbieter, die das Lebensmittel als Kautablette, pulvergefüllte Kapsel oder in Fläschchen vertreiben, scheinen von der Wirksamkeit nicht überzeugt zu sein. Auf der Internet-Präsentation eines zufällig ausgewählten Anbieters findet sich der Hinweis:

„Colostrum Produkte sind keine Heilmittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes! Die auf dieser Seite bereitgestellten Informationen sind ausschließlich informativ und sollen nicht als Ersatz für eine ärztliche Behandlung verstanden werden. Sie sind weder Heilaussagen oder Heilversprechen im rechtlichen Sinn, noch sind sie als solche zu verstehen.“1 Dass Kolostrum-Produkte keine Heilmittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sind, bedeutet, dass sie ohne behördliche Zulassung am Markt sind. Weder ihre Wirksamkeit noch ihre Sicherheit muss amtlich geprüft werden. Sie zählen zu den „sonstigen Stoffen“ in Nahrungsergänzungsmitteln, die bisher in der EU überhaupt nicht durch einheitliche Verordnungen geregelt sind (GPSP 2-2006 S. 10). Wir raten von diesen Produkten ab (Kosten je nach Anbieter zwischen 5 und 90 Euro monatlich) – auch wenn sie mit „Bio“ oder „Made in Germany“ beworben werden!2

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.17