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© Umida Kamalova iStock

Schlanker und gesünder durch Low Carb?

Kohlenhydratarme Diäten nicht besser als andere Abspeckmethoden

Low Carb. Weniger Kohlenhydrate aus Lebensmitteln wie Nudeln oder Brot essen und schneller abnehmen? Es gibt viele, die eine solche Diät als DIE Lösung ansehen, um Pfunde purzeln zu lassen. Die Wissenschaft findet aber keine Vorteile gegenüber anderen Diäten.

© Thomas Kunz

Viele Menschen investieren reichlich Zeit und Geld ins Abnehmen und in kommerzielle Produkte, die ihnen dabei helfen sollen. Sie sehen sich mit unzähligen Diäten konfrontiert, von denen viele in Form von Büchern, Seminaren, Diätprodukten etc. vermarktet werden. Dazu gehören auch Low-Carb-Diäten wie die Atkins-Diät oder die ketogene Diät.

Low-Carb-Diäten haben das gemeinsame Prinzip, die Anteile der kalorienliefernden Nährstoffe Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß in der Ernährung zu verändern: Ein niedriger Gehalt an Kohlenhydraten (englisch: low carbohydrates) ist das Ziel. Eine einheitliche Definition dafür fehlt. So gibt es verschiedenste Ansätze für Low-Carb-Diäten. Sie können „kohlenhydratarm, proteinreich“ oder „kohlenhydratarm, fettreich“ sein. Um kohlenhydratarm zu essen, sind Getreideprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Obst und manches Gemüse tabu. Manche ­Diäten begrenzen zusätzlich die Kalorienzufuhr.

Vom Kommerz zur Evidenz

Obwohl systematische Übersichtsarbeiten der letzten Jahre zeigten, dass ein reduzierter Kohlenhydratanteil keine relevanten Vorteile bringt, hört die Debatte um Low Carb nicht auf. Auch das Vermarkten kohlenhydratarmer Diäten geht weiter, die angeblich effektiver und gesünder sein sollen als andere Diäten mit ausgewogenen, den aktuellen Ernährungsempfehlungen entsprechenden Nährstoffanteilen.

Deshalb hat ein Team von Cochrane das Thema erneut in einer großen systematischen Übersichtsarbeit untersucht.1 Cochrane ist ein Netzwerk, das nach strenger Methodik und frei von kommerziellen Interessen wissenschaftliche Grundlagen für Entscheidungen im Gesundheitswesen liefert. Das Team um Erstautorin Celeste Naude hat die wissenschaftlichen Beweise (Evidenz) zu folgender Frage zusammengefasst: Kohlenhydratarme oder kohlenhydratbetonte Diät – was ist besser für die Gewichtsabnahme und die Herzgesundheit? Zu dieser Frage fanden Naude und Co. im Juni 2021 in wissenschaftlichen Datenbanken 61 Studien mit einer Dauer zwischen 3 Monaten und 2 Jahren. Als kohlenhydratarm galt eine Ernährung, in der weniger als 45 Prozent der Gesamtenergie aus Kohlenhydraten stammte. Die weitere Zusammensetzung, etwa zum Anteil von Fett und Eiweiß, war in den Studien allerdings teilweise unterschiedlich.

An den Studien nahmen insgesamt 6.925 Menschen teil. Sie waren alle übergewichtig, zum Teil auch zuckerkrank.

Wahrscheinlich kein Vorteil

Die gemeinsame statistische Auswertung bestätigt bisherige Erkenntnisse: Menschen, die eine kohlenhydratarme Diät machten, verloren ähnlich viel Gewicht wie Menschen, die eine Diät mit ausgewogeneren Nährstoffanteilen einhielten. Kurzfristig hatten erstere im Durchschnitt nur etwa ein Kilogramm mehr abgenommen, langfristig (über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren) sogar weniger als ein Kilogramm mehr. Auch bei Risikofaktoren für die Herzgesundheit wie dem Blutdruck, dem Langzeitwert für den Blutzuckergehalt und dem LDL-Cholesterinspiegel gab es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Diätformen.

Die Vertrauenswürdigkeit in die Ergebnisse ihrer Übersichtsarbeit – die Qualität der Evidenz – bewerteten die Autor:innen nach vorgegeben Kriterien, die sich zum Beispiel auf Methodik und Größe der einbezogenen Studien beziehen. Ihre Bewertung lautete: Die Ergebnisse sind „moderat vertrauenswürdig“. Das ist die zweitbeste von vier Bewertungsstufen und so zu verstehen, dass es „wahrscheinlich keinen Unterschied zwischen den untersuchten Diäten“ gibt. Die Bewertung „moderat“ bedeutet, dass die vorliegende Evidenz trotz kleinerer Einschränkungen eine brauchbare Basis für Entscheidungen ist.

Wenn es ums Abnehmen und die Herzgesundheit geht, wirken Low-Carb-Diäten wahrscheinlich nicht besser als ausgewogene Diäten.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2022 / S.12