Helicobacter pylori
Ein Bakterium schlägt auf den Magen
Der australische Arzt Barry Marshall schluckte 1984 eine ordentliche Portion Helicobacter-Bakterien. Damit verpasste er sich eine Magenschleimhautentzündung, die er mit Antibiotika rasch wieder kurieren konnte. Zusammen mit seinem Kollegen Warren schrieb er Medizingeschichte.1 Denn sein Selbstversuch hatte bewiesen, was Wissenschaftler bis dahin für unmöglich gehalten hatten: In der Magenwand können Bakterien siedeln und Schaden anrichten. Marshalls Bakterientrunk aus dem Reagenzglas hatte also einen ganz wichtigen Auslöser der Gastritis entlarvt.
Viele Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer Magenschleimhautentzündung (Gastritis), eventuell sogar an einem Magen- oder einem Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus). Noch bis in die 1980er-Jahre galten Stress, erhöhte Produktion von Magensäure und andere Faktoren als übliche Auslöser dieser Erkrankungen. Doch Barry Marshall und sein Kollege Robin Warren bewiesen, dass bei entzündeter Magenschleimhaut häufig eine spezielle Bakterienart mit im Spiel ist: Helicobacter pylori, kurz H. pylori. Für ihre bahnbrechenden Erkenntnisse und die dadurch völlig neuen Therapieansätze erhielten sie 2005 den Medizin-Nobelpreis.
Ein Geschwür entsteht, wenn eine Gastritis die Magenschleimhaut über einen längeren Zeitraum schädigt. Allerdings führt nicht jede Entzündung zu einem Ulkus, sondern das geschieht im Laufe von zehn Jahren nur bei jedem zehnten Patienten. Dies ist jedoch ein Schätzwert, weil es nur wenige Daten hierzu gibt.
Gefährlich wird ein Magengeschwür, wenn es tiefere Schleimhautschichten miterfasst. Wenn dabei Blutgefäße angefressen werden, kann es daraus lebensbedrohlich bluten. Ein Ulkus kann sogar die Wand des Magens oder Zwölffingerdarms ganz durchdringen (Magendurchbruch) und dadurch schwere Komplikationen auslösen.
Eine Sonderform ist die erosive Gastritis. Obwohl hierbei die Magenschleimhaut nur oberflächlich geschädigt ist, kann es aufgrund der flächenhaften Ausdehnung zu stärkeren Blutungen kommen.
Der Übeltäter
Wie die Nobelpreisträger herausfanden, ist oft das Bakterium H. pylori Auslöser der Entzündungen. Das wurde erst so spät entdeckt, weil die Bakterien nicht sehr zahlreich sind und sich zudem tief in der Magenschleimhaut verbergen. Wie können diese Bakterien die starke Magensäure überleben, die ja unseren Körper gegen das Eindringen von Erregern schützt? Dieses Rätsel ist inzwischen gelöst: H. pylori umgibt sich mit einer Hülle aus Ammoniak und verfügt so über einen Schutzschild gegen die Magensäure.
H. pylori tragen viele Menschen in sich. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung soll infiziert sein, in Deutschland Schätzungen zufolge über 30 Millionen Menschen. Der Erreger gelangt meist schon im Säuglings- und Kleinkindalter in den Körper, vermutlich übertragen vor allem von der Mutter und älteren Geschwistern.
Den Erreger aufspüren
Außer H. pylori verursachen viele Krankheiten Oberbauchbeschwerden, etwa Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, Durchblutungsstörungen im Bauch oder sogar Herzinfarkte. Ärzte können im Gespräch und durch die körperliche Untersuchung recht schnell die möglichen Ursachen eingrenzen. Sind die Beschwerden stark oder bestehen sie schon länger, kann eine Magenspiegelung Klärung bringen.
Magenspiegelung: Sie ist der „Goldstandard“ der Diagnostik und ermöglicht, das Ausmaß einer Erkrankung einzuschätzen. Anhand von Gewebeproben lässt sich mikroskopisch sehr genau der Schleimhautschaden sowie auch ein H. pylori-Befall nachweisen. Die Magenspiegelung heißt fachlich Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, weil auch die Speiseröhre (lat. oesophagus) und der sich an den Magen (gr. gaster) anschließende Zwölffingerdarm (lat. duodenum) angeschaut werden.
Andere Tests: Verfügbar zum Nachweis von H. pylori sind auch der 13C-Harnstoff-Atemtest und Stuhltests auf H. pylori-Antigen. Für eine Therapieentscheidung ist aber häufig eine Magenspiegelung unumgänglich. Eine Ultraschalluntersuchung ist bei Magenkrankheiten wenig hilfreich, und eine Computertomographie (CT) nur sinnvoll, wenn z.B. ein Verdacht auf Magenkrebs besteht.
Schleimhautschutz und seine Risiken
Oberbauchbeschwerden, deren Ursache gesichert oder sehr wahrscheinlich eine Gastritis oder ein Ulkus ist, lassen sich meist mit einem Säureblocker lindern. Standardmedikamente sind Protonenpumpen-Hemmer (Protonenpumpen-Inhibitoren, PPI). Sie hemmen die Salzsäureproduktion in der Magenschleimhaut. Das dämmt die Entzündung ein und hilft den Magenschleimhautzellen, sich zu regenerieren. Die Beschwerden bessern sich. Am häufigsten werden derzeit die PPI-Wirkstoffe Omeprazol und Pantoprazol verordnet.
Uneins ist sich die Fachwelt darüber, wie lange Patienten PPI einnehmen sollen. GPSP befürwortet einen kurzen Einsatz, über wenige Tage bis vielleicht zwei Wochen, denn so lange sind die Mittel in der Regel gut verträglich.
Leider sieht das in der Praxis oft anders aus: PPI werden zum Teil über Wochen bis Monate verordnet oder auch eigenständig eingenommen. Ob die Mittel dann überhaupt noch gegen die ursprünglichen Beschwerden wirksam sind, ist unklar. Klar ist aber, dass unerwünschte Wirkungen zunehmen. Darum ist eine längere Behandlungsdauer nur bei wenigen Erkrankungen sinnvoll, z.B. bei einer Refluxkrankheit, die nicht anders zu behandeln ist.
PPI beeinträchtigen insbesondere den Knochenstoffwechsel – es kann vermehrt zu Osteoporose und Knochenbrüchen kommen. Auch ändert sich durch die Säureblockade dauerhaft das saure Milieu im Magen. Das erleichtert anderen Bakterien, die Magenbarriere zu überwinden und Darmerkrankungen auszulösen. Weiter beschrieben sind u.a. Nierenfunktionsstörungen (siehe Kasten).
Die früher vornehmlich verordneten Säurebinder (Antazida) sowie Histamin-2-Blocker spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle.
Das Bakterium eliminieren
Wurde bei der Magenspiegelung H. pylori diagnostiziert, erfolgt eine Antibiotikabehandlung, die den Erreger entfernen („eradizieren“) soll. Für diese Eradikationsbehandlung stehen verschiedene Standardverfahren zur Auswahl. Üblicherweise werden gleichzeitig zwei antibiotische Wirkstoffe eingesetzt: entweder Amoxicillin und Clarithromycin („französisches Schema“) oder bei Penicillinunverträglichkeit Clarithromycin und Metronidazol („italienisches Schema“). Zusätzlich erhalten Patient oder Patientin ein PPI-Medikament, weswegen man auch von Dreifach- oder Tripel-Therapie spricht. Eine solche Standardtherapie dauert mindestens 7 bis maximal 14 Tage. Die Säurehemmer können danach noch eine kurze Zeit lang weiter eingenommen werden, wobei die Wirksamkeit dann allerdings wenig belegt ist und PPI zu vermehrten Nebenwirkungen führen.
Leidige Resistenz
H. pylori kann, wie andere Bakterien auch, gegenüber den eingesetzten Antibiotika von vorneherein resistent sein. Daher behandelt der Arzt oder die Ärztin zunächst mit denjenigen Antibiotika, von denen Studien zufolge die geringste Resistenz zu erwarten ist. Bei etwa 9 von 10 Erkrankungen klappt so die Eradikation.
Sechs bis acht Wochen nach der Behandlung wird dann überprüft, ob die H. pylori Bakterien „erledigt“ sind. Das erfolgt entweder mit einer erneuten Magenspiegelung oder per Atemtest. Falls noch H. pylori nachweisbar ist, müssen Arzt und Patient besprechen, ob eine erneute so genannte Zweitlinientherapie mit anderen Antibiotika sinnvoll ist, denn sie bringt mehrere Nachteile. So sind die infrage kommenden Fluorchinolone wegen möglicher Nebenwirkungen nicht unproblematisch. Außerdem muss bedacht werden, dass mit jedem neuen Antibiotikaeinsatz die Bakterien zunehmend resistent werden (siehe GPSP 3/2017, S. 8). Daher empfiehlt es sich, vor einer erneuten Antibiotikatherapie erst einen Resistenztest durchzuführen. Bei Kindern sollte der Test schon vor der ersten Antibiotikabehandlung gemacht werden.
Wenn die Eradikation von H. pylori erfolglos war und weitere Beschwerden bestehen, können Präparate mit Wismut hilfreich sein. Wismut war früher zur Behandlung von Reisedurchfall verbreitet (vgl. GPSP 6/2006, S. 1).5
Fazit
Gastritis oder ein Magen-/Zwölffingerdarmgeschwür sind oft gut mit Medikamenten zu behandeln: Protonenpumpen-Hemmer plus – im Falle einer Helicobacter-Infektion – spezielle Antibiotika sind die Mittel der Wahl. Das ahnte übrigens schon Barry Marshalls Frau – sie drängte ihren Mann dazu, seinen Selbstversuch mit H. pylori zügig mit Antibiotika zu beenden.
PPI-Risiken: GPSP 6/2008, S. 3
PPI rezeptfrei: GPSP 5/2014, S. 9
Stand: 29. Juni 2017 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.04